Tipps zur Haltung von Selenicereus

 

Die Königin der Nacht ist die Marilyn Monroe unter den Kakteen. Aus semi-ariden Gegenden Amerikas stammend, hat sie es geschafft, in den tropischen Regenwald Brasi-liens einzuwandern und sich dort zu behaupten. Außer ihr ist das meines Wissens nur dem Weihnachtskaktus gelungen. In ihrer Heimat wächst sie epiphytisch auf dem unteren geschlossenen Blätterdach in ca. 5 bis 10 Meter Höhe. Dort kommt die Sonne kaum noch hin, und es herrscht ein ewiger Konkurrenzkampf um Licht. Ihre Triebe wachsen fast so schnell wie Brombeerranken immer dem Licht entgegen. Ihre Herkunft bezeugen die Luftwurzeln, die ihr Halt, Wasser und Nährstoffe aus der Sahara geben.

Das sollte man wissen, wenn man versucht, die Pflanze bei sich zu halten. Die Pflege ist in mittleren Breiten stark aufwändig, weil sie schwer zu bändigen ist, und sie erhöhte Anforderungen an den Stellplatz stellt, im Sommer wie im Winter. Ihre Haltung kann ich nur „Nachtmenschen“ empfehlen, da sie erst am Abend aufblüht, um Mitternacht ihren unvergleichlichen Duft verströmt, und morgens ihre Blüte wieder hängen lässt. Sie hält dabei ihren zwölf-stündigen Rhythmus aus den Tropen ein. Ihr chaotisches Triebleben mit den Luftwurzeln ist eher hässlich anzuse-hen, aber das macht sie mit ihrer Blütenpracht wieder wett. Wenn man ihre Blüten künstlich mit dem Finger bestäubt,   sie akzeptiert nur Fremdbefruchtung, also nicht von Klonen, kann man sich bis in den späten Herbst an den knallroten stacheligen Früchten erfreuen, die essbar sind (man kann sie auslöffeln), aber eher nach roten Rüben schmecken. Ich hielt Jahrzehnte lang insgesamt vier genetisch unterschied-liche Pflanzen in drei Kübeln, eine davon hatte ich selber als Sämling aufgezogen, wobei sie anfangs zwei Keimblätter hervorbringt, zwischen denen dann eine winzige haarige Kugel erscheint. Eine ausgewachsene Pflanze im Kübel mit Gestell, um das man die Triebe wickeln und bändigen muss (nicht mehr als 20 m Trieblänge insgesamt), will immer weiter wachsen, da muss jedes Jahr ausgelichtet werden, vor allem den dünnen Wintertrieb. Die Blüten erscheinen dort, wo am meisten Licht ist. Deshalb muss man zumindest den Kübel drehen und transportieren können. Eines sollte stets beachtet werden: Die Pflanze verträgt kein UV-Licht und Sonne nur hinter Glas. Eine längere Zeit unter 10° mag sie gar nicht: Im Winter muss man sie ins Haus holen und an ein Sonnenfenster SO bis SW stellen. Die Pflanze zeigt, ob es ihr gefällt: Dunkelgrün zeigt Lichtmangel an, dann bildet sie keine Blüten und wuchert nur weiter auf der Suche nach mehr Licht. Hellgrün ist optimal, leichte Violettfärbung vor allem an den stacheligen Warzen zeigt Blühwilligkeit an. Bei praller Sonne führt schon eine Stunde zu Verbrennungen.

 

Die Haltung im Jahresrhythmus: Von November bis März sollte die Pflanze an einem hellen Fensterplatz nicht dauerhaft unter 15° stehen und nicht gegossen werden. Das Wachstum soll sie einstellen, deshalb schon ab Mitte Oktober nicht mehr gießen! Sie benötigt in dieser Zeit keine Pflege. Wenn die Triebe zu sehr schrumpfen, kann man sie mit Wasser besprühen. Etwaigen dünnen Wintertrieb sollte man entfernen. Ende März kann zunächst wieder vorsichtig gegossen werden, und die Triebe kündigen an der Lichtseite an den violetten Warzen den Ansatz von Blüten an. Erst ab Mitte Mai soll sie wieder treiben, ihr Sommerquartier einnehmen, und darf jetzt wieder vermehrt gegossen und mäßig gedüngt werden. Der Boden sollte humus-reich leicht sauer sein und nicht durch Gießwasser aufgekalkt werden. Optimaler Standplatz ist jetzt eine Pergola oder Wintergarten, hell, aber mäßig sonnig. Ab Ende Mai beginnt die Blütezeit. An den Knospen finden sich Wollläuse ein, dagegen hilft nur die Spritze. Die Triebe wachsen jetzt oft in unerwünschte Richtungen, wobei man sie nur dadurch bewältigen kann, dass man sie entweder abschneidet oder langsam mit Schnüren an das Gestell heranzurrt (Vorsicht Bruchgefahr!). Wenn der Stock älter geworden ist, ist es notwendig, die Pflanze an einem neuen Gestell komplett neu aufzu-bauen, weil die Triebe dann zu verknäuelt und versackt sind und bei zu dichtem Wuchs ausgelichtet werden müssen, um die Wollläuse zu vertreiben. Bei diesem Vorgang muss der Stock flachgelegt, die Triebe entwirrt und an dem neuen Gestell wieder angebunden werden. Etwaige Bruchstellen müssen von Wasser zwei Wochen ferngehalten werden. (Das gilt auch für abgebrochene Triebe, die man als Klone heranziehen möchte.) Anläss-lich dieses Vorgangs ist es auch sinnvoll, die Erde zu erneuern. Dabei stellte ich auch schon fest, dass bei einem Stock mit mickrigem Wachstum Engerlinge des grün/metallic schimmernden Rosenkäfers die Ursache waren. Auch die freigelegten Wurzeln müssen zehn Tage lang abtrocknen, damit sich die Kakteenfäule nicht ausbreiten kann. In den Sommermonaten bedarf die Pflanze also viel Zuwendung, was sie aber mit hoher Blühfreudigkeit belohnt, manchmal mit vielen Blüten in einer einzigen Nacht, oft aber auch nacheinander immer wieder neue Blüten ausbildend. Wenn zwei Stöcke unter-schiedlicher Genetik am Abend ihre Blüten öffnen, sollte man sie mit dem Finger noch früh abends befruchten, da der Weg des Pollens lang ist. Im September stellt die Pflanze das Blühen ein und die roten Früchte halten sich bis zum Jahresende, wenn sie nicht vorher platzen und faulen. Dieses passiert vor allem, wenn man nicht rechtzeitig im Oktober mit der Bewässerung aufgehört hat. Dann sollte man noch ein paar kältere Tage abwarten, damit die Pflanze ihr Wachstum einstellt, und sie dann ins Haus holen.

Deutlich einfacher ist die Haltung in einem heizbaren Wintergarten, der mir nie zur Verfügung stand. Dort würde ich zwei oder drei unterschiedliche Pflanzen in einem größeren Kübel oder einer Wanne mit Ablauf an einem Spalier in die Breite und Höhe ziehen und das Gefäß auf einem Rollbrett beweglich halten, damit die Blüten nicht nach draußen ihre Pracht zeigen.

Nochmals zum Thema Wollläuse: Einen zugfreien trockenen Standort lieben sie besonders, und besiedeln am liebsten die Früchte und dort, wo man nicht hinkommt. Da hilft am besten stark abbrausen und anschließen spritzen.

Die Haltung dieser raumgreifenden tropischen Pflanzen ist also im Halbjahr stark aufwändig. Altersbedingt habe ich die Zucht vor wenigen Jahren aufgegeben. Die Stöcke wurden mir zu schwer, und die Bändigung zu mühselig.

 

Abb. 1)  Aus Samen gezogenes Exemplar mit dünneren Trieben, aber den größten Blüten

Abb. 2)  Exemplar mit dicken Trieben, aber kleineren Blüten mit dem intensivsten Duft