Der esoterische Abschied von der Musikproduktion
Nach der Vollendung von "Kassandra" aus dem Musikalischen Tagebuch wurde mir klar, dass es in der bisherigen Manier nicht weitergehen konnte. Der musikalische Overkill, der im Sinfonieorchester auf mich traf, und den ich in meinem Musikalischen Tagebuch als Gegengift reproduzierte, hatte meine Nerven zerrüttet. Ich musste in meiner seelischen Krise das Gerümpel sinfonischer Völlerei in mir entsorgen. Die Ökonomie der Mittel war mir zwar selbst in dichtesten Klangschichtungen in meinem Musikalischen Tagebuch ein Bedürfnis, besonders in dem Stück Bleischlaf, aber ganz habe ich mich nicht vom Imponiergehabe mit Tonmassen lossagen können. Das musste sich ändern.
Da waren aber zunächst meine berufsbedingten körperlichen Haltungsschäden in Angriff zu nehmen, die mich plagten. Ich stellte mich nackt vor den großen Flurspiegel, schloss die Augen, und sagte mir: „Jetzt stehe ich gerade“. Dann öffnete ich die Augen wieder, und sah ein Fragezeichen.
Mir wurden meine körperlichen Asymmetrien bewusst, gegen die ich etwas unternehmen sollte. Ich gewöhnte es mir an, die Klangschalen abwechselnd mit beiden Händen zu bedienen. Zu der Zeit warf ich auch Bumerangs, die ich für beide Hände selbst gefertigt hatte (siehe Texte / Persönliches). Es ist erstaunlich, wie kläglich die ersten Versuche mit der ungeübten Hand endeten. Da traf es sich gut, dass ich einen freigeistigen Heilpraktiker kennenlernte, der nach der Methode Touch for health mir meine verdrehten Wirbel wieder einrenkte, und mich von meinen Verspannungen weitgehend erlöste. Er therapierte auch seelische „Haltungsschäden“ durch lange Seancen mit einer geriebenen Klangschale.
Ein Freund, der längere Zeit in Indien und Nepal weilte, und von dort Tankas, Drucke auf Reispapier, Klangschalen und andere tibetische Musikinstrumente mitgebracht hatte, war schon davor einiges davon bei mir losgeworden, von dem ich zunächst nur wenig Gebrauch machte. Dann aber, als das seelische Bedürfnis mich dazu trieb, entdeckte ich die beruhigende Wirkung der Klangschalen, wenn sie nicht angeschlagen werden, sondern mit einem Reibholz mit oder ohne Lederüberzug gerührt werden.
Noch ließen allerdings die Gestaltungszwänge nicht locker. Ich war noch nicht frei von der Idee, Kunst produzieren zu müssen. So probierte ich verschiedenste Spieltechniken aus, den Klangschalen und anderen tibetanischen Klanginstrumenten neue Klänge zu entlocken. Es gab bei dem Heilpraktiker auch den Versuch, ein Klangschalenquartett zusammenzustellen, der allerdings scheiterte. Die dokumentierten Aufnahmen zeigen weder Konzeption noch Stringenz. Die Klangschale duldet keine Extrovertiertheit, letztlich ist man mit ihr am besten allein, um Konzentration und innere Einstellung zu finden und prüfen. So weit war ich aber noch nicht.
In einem Bericht aus Myanmar sah ich zwei Mönche, die in einem Kloster mit dicken Lederklöppeln eine riesige Klangschale von ca. 3 Meter Durchmesser umrundeten, wobei sie streng gegenüber schreiten mussten, um den Ton zu halten. Ich weiß nicht, wie lange sie mit erhobenen Armen diese körperliche und geistige Leistung bringen konnten. Für einen Europäer eine Qual. Da konnte ich nicht mithalten.
Die Klangschale ist eine strenge Domina. Schon einen geriebenen Dauerton ohne Rumpler oder Crashs zu halten ist eine Herausforderung für Anfänger. Nur bei wenigen Klangschalen ist es überhaupt möglich, zwei Töne auf Dauer zu halten, meistens setzt sich einer durch, und der andere schwindet. Eine strikte verhaltene Disziplin ist erforderlich. Die Reizarmut setzt inneres Erleben frei, und schafft so eine meditative Stimmung. Für mich geht es dabei nicht um Herstellung von Produkten, sondern um einen Vorgang. Mit esoterischem Brimborium kann ich nichts anfangen.
Der Freund, der sich Anfang der siebziger Jahre einige Zeit in Katmandu aufhielt, und dort Klangschalen aufkaufte, berichtete mir, dass die Klangschalen dort als Geschirr Verwendung fanden. Laut Wikipedia fanden sie im kultischen Bereich keine Verwendung, da sie nicht massentauglich sind, und zu Extrovertiertheit nicht taugen. Das obige Beispiel aus dem Kloster mag die Funktion einer Glocke gehabt haben, die die Gläubigen zur Meditation aufruft. Als Kultinstrument für therapeutische Zwecke oder als Mittel zur Introspektion wurden die Klangschalen erst von Europäern eingeführt. Auf diese Nachfrage hin wurden zunächst vorhandene Exemplare bei den Familien aufgekauft, danach entwickelte sich eine kommerzielle Serienfertigung in Hochglanz mit Einprägungen religiöser Motive für den hiesigen Geschmack der Sauberkeit. Meine Sammlung stammt also noch aus der "Geschirr"-zeit, in der die Ansprüche denkbar gering waren. Die Legierungen waren unterschiedlich und prekär, und die handwerklichen Fähigkeiten unterentwickelt. Das verleiht den Klangschalen einen lebendigeren nicht homogenen Klang als den statischen aus der perfektionierten Serienproduktion. Von besonderem Reiz für mich sind die dünn getriebenen Schalen, bei welchen sich gerieben auch die höheren Moden hervorlocken lassen. Wie mir berichtet wurde, holten sich die damaligen Hersteller die Schalen manchmal über Jahre hinweg immer wieder zum Nachhämmern hervor.
Wie man dem folgenden Foto entnehmen kann, trieb dann bei mir der Akkumulationstrieb eine letzte rauschhafte Blüte, und machte mich zum Esoterik-Messi. Es sollte noch eine Weile dauern, bis ich zu dem Ergebnis kam: Weniger ist mehr. Ich denke, dass der optimale Zustand, den ich erreichen kann, sein dürfte, dass ich die Klangschalen nicht mehr brauche. Davon kann aber noch keine Rede sein. Neben der Prüfung meines mentalen Zustands nutze ich eine Klangschale als Orakel, ob die Ideen oder Maßnahmen, welche ich hege, mir zuträglich sind.
Hierzu ein Beispiel von Juli 2021: Nach dem Tod meiner Katze, die mir sehr ans Herz gewachsen war, und die ich wegen Unheilbarkeit einschläfern lassen musste, bekam ich kurz danach von einer Mitarbeiterin des lokalen Tierheims das Angebot, eine 14jährige Katze zu übernehmen. Da ich im Zwiespalt war, ob ich den verflossenen Zustand nach so kurzer Zeit der Trauer mit einer anderen Katze wieder herstellen sollte, setzte ich mich kurz vor Mitternacht an meine Jammerschale, und rührte sie unambitioniert mit der linken Hand, mein Unterbewusstsein befragend. Ich dachte schon, ich hätte meine Schale unter Kontrolle, da klirrte sie an einer Stelle bitterböse. Ich rührte noch weiter einige Runden befangen und vorsichtig, da crashte sie ein zweites Mal an der gleichen Stelle. Das war deutlich, und ich sagte ab.
Das Bild zeigt mein Instrumentarium tibetanischer Musikinstrumente: Klangschalen, Dilbus (Glocken), 2 Beckenpaare, Zimbeln, eine Dung Chen (große Trompete).
Klangschalenstücke: Die freundlichen Götter
Hier habe ich in erneuerter Experimentierlust die verschiedenen Spielweisen mit einer Klangschale ausgereizt. Die Moden 1, 2 ,3 ,4 entsprechen den radialen Teilungsverhältnissen von 4, 6, 8, 12.
Eine Klangschale in mittlerer Lage, dicht in freiem Rhythmus angeschlagen 3´48´´
Ein großer Aufgang, konventionell mit Holz auf meiner Kraftschale gerührt, ohne Grundton, nur die oberen zwei Moden 8´43´´
Zwei tiefe Klangschalen in Quartabstand, anfangs mulmend, dann aufklarend, aber trüb bleibend, sehr dynamisch. 8´08´´
Eine helle Klangschale, schnell mit Holz gerührt. 4´26´´
Sanfte Steigerung in den Moden 2 und 3 einer Klangschale 14´40´´
Helle Klangschale, sanft mit Prallern angeschlagen. 7´16´´
Hier finden zwei Klangschalen harmonisch zueinander, dynamisch fluktuierend. 11´08´´
Meine große tiefe "Jammerschale", bewegt mit Holz gerührt, es klingen die drei oberen Moden 2,3,4. 9´16´´
Eine Zimbel bewegte ich kreisend in einer kleinen hellen Klangschale. 4´33´´
Dieses Stück kann man noch am Ehesten noch als Komposition bezeichnen. Es kommen vier Klangschalen zu Gehör, aber nie alle vier gleichzeitig. Sie sind so ausgewählt, dass keine harschen Klangreibungen vorkommen. Eine sehnsuchtsvolle vegetative Stimmung durchzieht die Klänge. 14´34´´
Hier sind nur zwei Klangschalen zu hören, so ausgewählt, dass sie „sich beißen“. Dicht nebeneinander liegende Töne bilden Interferenzen, die durch ihre Isolation eine herbe quälende Wirkung erzeugen. 4´56´´
Diese Aufnahme habe ich zusammen mit Dieter Jellinghaus (aus dem gescheiterten Klangschalenquartett) eingespielt. Die scharfen Reibungen anfangs sind eklatant, und setzen sich in der Höhe fort. 14´33´´
Klangvoll angeschlagene Schale in mittlerer Lage 8´13´´
Diese Datei hat eine Länge, die ich von Therapiesitzungen kenne. Zwei Klangschalen ergänzen sich harmonisch schwebend. Eine davon, zum Schluss allein, verabschiedet sich "singend", dann klirrend, weil ich sie an ihre dynamische Grenze getrieben habe.
19´27´´
Die ebenfalls lange "Verführung" beginnt sanft mit dem Grundmodus, steigert sich langsam in den Moden 2, 3, 4 aufwärts, bis nur die vierte übrig bleibt, und in einem Crash endet. 19´36´´
Jüngste Aufnahmen (2019/20)
Hier wird es extrem reizarm. Der tiefe Ton, auf meiner Lieblings-klangschale, dünn und groß, ist nur mit einem belederten Reibholz mit äußerster Disziplin hervorzurufen und längere Zeit kontrolliert zu halten, worin ich mich noch heute im Zustand von Unruhe und Bedrängnis gelegentlich übe, und dabei prüfe, ob ich mit meiner Einstellung und Absichten richtig liege.
Der erste Oberton (2. Modus) taucht anfangs nur andeutungsweise auf. Gegen Ende setzt er sich immer mehr durch. Mit Musik hat die Aufnahme wie auch die folgende nichts mehr zu tun; gegen Reizüberflutung hat sie die Funktion eines Ohrreinigers.
5´27´´
Mit einem Reibholz gerührt lassen sich bei der gleichen Schale die Moden 2, 3 und 4 gleichzeitig zum Klingen bringen. Der Modus 1 (Grundton) ist nur zu erahnen. Hier wird die Charakteristik einer dünnen Klangschale deutlich: Ich nenne sie meine Jammerschale. 7´41´´
Eine andere Klangschale, die ich noch heute rühre, wenn ich mich wieder mental aufbauen möchte, ist meine Kraftschale. Auf dem Übersichtsbild ist sie die zweite von unten mit dem belederten Reiber. Sie ist ähnlich groß, aber dicker, und damit in höherer Tonlage. Mit Leder ist sie nur im ersten und zweitem Modus zum Klingen zu bringen. Die Kunstfertigkeit beruht darin, beide Modi zu halten: Wenn ein Modus zu sehr überwiegt, setzt er sich durch, und lässt den anderen verstummen. 6´20´´
Eine unruhige Version derselben, weil ich ziemlich erregt war, und kämpfen musste, dass ich mit Druck und Schwung beide Töne halten konnte. Deshalb meine Bezeichnung der Klangschale als Seelenbebendetektor. 5´33´´
Experimentelle Spielweisen: Die zornigen Götter
In unserer überdrehten europäischen Kultur wird die Klangschale zur Nervenberuhigung sowohl privat wie auch bei Therapeuten eingesetzt. In der tibetischen Kultur wird sie mit den freundlichen Göttern assoziiert. Ihnen treten die zornigen Götter gegenüber, welche sich mit Blasinstrumenten und Schlagwerk hörbar in den Kultus einführen. Sie werden hierzulande kaum berücksichtigt. Die jüngere Rezeption der tibetischen Musik betrachte ich als einseitig. Der Dalai Lama in Dharamsala hat vergessen gemacht, dass Tibet in der dreißiger Jahren als das Land der Räuber und Räuberklöster galt. Der Potala war eine Festung besetzt von 3000 Mönch-soldaten, welche die Bevölkerung drangsalierten.
Als Therapeutikum bei Depressionen und energetischem Defizit kommt die sedierende Wirkung der Klangschalen nicht in Betracht: da bedarf es erregende, aufmunternde Mittel, welche ich mit dem tibetischen Instrumentarium auf ungewöhnliche Weise versucht habe darzustellen. Die feindlichen Götter sollen nicht übergangen werden. Sie sind laut.
Klangschalen heftig erregt
Ich stellte zwei Klangschalen eng nebeneinander, das Mikrofon mittig dahinter, und schlug sie in manischer Zitterbewegung hin und her mit einem Schnurklöppel an. Das Geklöppel selbst ist eher locker und nicht heftig, aber es schaukelt die Klangschalen hoch. Der Abstand (um die 5 cm) sollte so groß sein, dass die Rückschwingung der Klöppel den Krafteinsatz minimal werden lässt. Die Klangschalen sollten auch groß genug sein, um einen sicheren Stand zu haben. Die Aufnahmen entfalten ihre energetische Wirkung bei eben noch erträglicher Lautstärke; hört man sie zu lang und zu oft, überträgt sich eine ungeduldige Rappelenergie. Die Aufnahmen entstanden im September 2020, als ich mich nach einer Operation wieder aufbauen musste. Die Moden der ausgesuchten Klangschalen liegen eng nebeneinander. Harmonieren sie zu sehr, entsteht eine Art Glockengeläut. Das gibt es anderswo besser.
4´58´´
3´25´´
6´17´´
3´40´´
Beidhändig gleichzeitig geklöppelt mit 4 Klangschalen in enger Stimmung
3´53´´
3´48´´
5´14´´
4´39´´
3´59´´
4´18´´
Zimbeln und Becken
Selbige kann man als offene Klangschalen betrachten. Sie haben ein Klangspektrum, deren Moden weit in die Höhen reicht. So entstehen weitaus dramatischere Wirkungen als mit der Klangschale.
Die Zimbeln werden wie gewöhnlich gegeneinander geschlagen. Das extrem hohe Schwirren wird am deutlichsten bei lauter Wiedergabe im Raum über Lautsprecher vernehmbar, da das räumliche Hörvermögen in großer Höhe versagt. Dieses Schwirren ist bei Kopfhörern nicht erreichbar. Die Wirkung der Zimbeln ist konträr zur Wirkung der Klangschalen: belebend, aufkratzend: ein akustisches Amphetamin.
4´39´´
Das tibetanische Becken
Hier kamen noch einmal meine instrumentalen Fähigkeiten mit Kontrabassbogen zum Einsatz. Bei diesem Becken konnte ich durch Auswahl der Anspielstelle mit einem Bogen die ganze Palette der Teilungsverhältnisse bis in höchste Lagen hervorbringen. Nur bei diesem Becken von vieren, welches auf dem Übersichtsbild zu sehen ist, konnte ich klanglich befriedigende Ergebnisse erzielen, welche mich inspirierten. Die einzelnen Segmente, die brauchbare unterschiedliche klangliche Ergebnisse liefern, habe ich darauf eingezeichnet. Dass die anderen drei Becken keine befriedigenden Ergeb-nisse liefern konnten, zeigt, dass jedes Becken durch seine Hämmerung ein Unikat darstellt. Die Moden (radiale Teilungs-verhältnisse) sind nicht linear harmonisch, wie bei einer Saite, sondern wie bei einer Klangschale als Winkelfunktion dishar-monisch.
Das Klangbild war auch für mich ungewohnt und mir bislang unbekannt. Zwar ist ein mit einem Bogen angestrichenes Becken in neuerer Musik nichts Ungewöhnliches, aber nur mit der Technik des Springbogens brachte ich das Becken dauerhaft zum Klingen. Die Ausstülpung sorgte dabei für sicheren Griff. Bei einem Wechsel des Segments konnte ich in ein anderes Klangspektrum überblenden. Die Spielweise ist aufgelockert rhythmisch, im Tempo gleichbleibend, da wegen des Rückfederns des Bogens kaum anders möglich, aber ohne regelmäßigen Puls. Hier fand ich noch einmal zurück zu einem improvisierten ekstatischen „mich Ausleben“. Die einzelnen Aufnahmen ähneln sich klanglich und rhythmisch, und entwickeln sich mehr oder weniger dramatisch.
4´21´´
5´18´´
4´45´´
6´17´´
11´20´´
Finale povero
Geile Qual
Dem Stück ist mein Widerwillen an jeglicher Musikproduktion anzuhören. Ein tiefer rotzig geblasener Ton auf einer Mundharmonika zieht sich durch das Stück, wie auch das Geschepper meines Lieblingsbeckens, welches ich kreisend an der Kraftschale anschlagen ließ. Dazu meine Vokalise, die den Abscheu an den Wiederholungszwängen unserer Musikpraxis zum Ausdruck brachte. 3´43´´
Ohnmacht
Hier ist deutlich zu spüren, dass ich nicht mehr weitermachen kann und will. Ich lasse einen Tischtennisball auf den Saiten einer verstimmten Zither hüpfen, das letzte Gaukelspiel. Ein schüchternes Blasen auf einer Bambusflöte tendiert zur Stille. Dazu meine heisere gebrochene Stimme, die sich mit meinem tiefsten Gesangston abmüht. 4´05´´
Nachwort
Auch wenn sich das traurig anhört, und in der Situation auch war, hatten diese beiden Stücke für mich den Charakter eines Befreiungsschlags. Ich hatte ohne die Hilfe eines Psychiaters meine Produktionsneurosen abgebaut, und konnte auch ohne die Droge Musik glücklich und unglücklich sein. Finanziell war ich schon lange davon nicht mehr abhängig. Die Musik empfinde ich heute, wo man ihr kaum noch entrinnen kann, mit seltenen Ausnahmen als Heimsuchung, der ich mich zu entziehen trachte.
Geständnis: Ich wurde ja bloß aus Verlegenheit zum Musiker, weil ich nach dem Abitur nicht wusste, welchen Beruf ich ergreifen sollte. Da war die Musik noch das Naheliegenste. Ich war weder berufen, noch begnadet, noch auserwählt. Meine Existenz als Notensklave in einem Sinfonieorchester wurde mir nur dadurch erträglich, dass ich mein Selbstwertgefühl durch musikalische Erfahrungen außerhalb des Beruflichen aufrecht erhalten konnte. (Das konnte ich auch bei anderen Orchestermusikern beobachten.) Ich brauchte das quasi als Gegengift zu dem schönen Schein, der gefällt. Nie war ich in der Lage, etwas Erwünschtes zu produzieren.
August 2019