Die Temperamente bei den Säugetieren

 

Zur Entwicklung der vier Temperamente kann ich nur Vermutungen anführen, die von der größten Plausibilität ausgehen. Wissenschaftliche Erkenntnisse dazu sind mir nicht bekannt. Das Zeitalter der Dinosaurier konnten nur kleine Säugetiere überleben. Der Mangel an Relikten aus der Zeit der großen Umwälzungen lässt daher nur Spekulationen zu.

Wenn morgen der Einschlag eines Meteoriten die Erde verwüsten würde, welche Kleinsäuger könnten überleben? Da fallen mir ganz spontan die Ratten ein, die auf der ganzen Erde in vielen Klimazonen anzutreffen sind. Ihr Revier ist sowohl unter- wie überirdisch, sie sind kooperativ und sie haben die richtige Größe, um zu überleben.

Ausgehend von der Zeit nach dem Meteoriteneinschlag hatten diejenigen Arten von Kleinsäugern die größte Überlebenschance, welche am anpassungsfähigsten und vielseitigsten jede nur mögliche Nahrungsquelle durch das System uneigennütziger Kundschafter sich erschließen konnten. Innovative Wissbegier, Problemlösung und soziales Verhalten in Kleingruppen sind Kennzeichen der vier Temperamente, und werden diese begünstigt haben. Allesfresser von Wurzeln, Aas und Insekten (Generalisten) sollten in der langen Zeit (12 Millionen Jahre) der großen Umbrüche im Paläozoikum im Vorteil gewesen sein gegenüber den starreren Verhaltensweisen der Zweitemperamentler, welche als Spezialisten in dieser Zeit zusammen mit ihrer Nahrungsquelle untergehen mussten. (Vorstellen kann ich mir lediglich das Überleben einer Art ähnlich den Maulwürfen oder Biber in besonderen Habitaten.) Erst als die Verhältnisse sich langsam stabilisiert hatten, die Blütenpflanzen sich massiv entwickelten, und neue Möglichkeiten Beute zu machen erschienen, konnten diese bei langsamerem Wandel erfolgreich werden. Die Austattung mit 4 T. wäre für sie unnötiger und hinderlicher Ballast gewesen bei der Entwicklung in einer einmal gefundenen Nische. Ich gehe also davon aus, dass damals zumindest der allergrößte Teil der überlebenden Säugetierarten, wenn nicht alle, viertemperamentig war. Aus dem sekundären Fundus der Verhaltensvielfalt an Überlebensstrategien und Sozialisierungen konnten sich die evolvierenden Arten die günstigsten aussuchen, und lästige, viel Energie und Gehirnmasse und längere Adoleszenz erforderlichen, verfallen lassen.

 

 

Zur Verdeutlichung einige Beispiele von heutigen viertemperamentigen Säugetieren:

 

Bei den Feliden haben lediglich die Löwen die anfänglichen 4 T. beibehalten, und in der Form der Gruppenjäger mit den Weibchen als Kerngruppe und Männchen als Paschas auf Zeit weiterentwickelt. Sie sind aber keine Generalisten geblieben, sondern sind zu Spezialisten für Großwild geworden, wozu sie das 4 T.- Modell beibehielten. Von dem ursprünglichen Modell der Gruppenjäger emanzipierten sich mit der Zeit die anderen Feliden als Einzeltiere. Da ansonsten die Feliden als recht entwicklungsträge einzuschätzen sind, werden die äußerlichen Übereinstimungen ihrer Gestalt einsichtig.

 

Die Wölfe machen als Fleischfresser Jagd in Rudeln auf weit größere Pflanzenfresser, welche sie als Einzelgänger kaum jemals erbeuten könnten. Der Verzehr der Beute ist hierarchisch streng geregelt. Das Alphapaar darf zuerst fressen, bekommt die Leber als Delikatesse, und demonstriert damit seinen Rang. Nur das Alphapaar darf sich fortpflanzen, der Rest des Rudels beteiligt sich an der Aufzucht durch Herauswürgen von Futter. Eine Paarbildung zeigt sich bei ihnen in freundschaftlichen Beziehungen, die dem gleichen Muster wie bei den Menschen folgen. Auch sie sind keine Generalisten mehr.

Bei den Hunden ist durch die Selektion der Menschen und der Prägung auf sie ohne soziale Bindungen mit Ihresgleichen eine sexuelle Verwahrlosung eingetreten, welche die Paarung gelegenheitsorientiert promiskuitiv macht. Aber die vier Temperamente lassen sich bei ihnen deutlicher als bei den Menschen erkennen, da sie zu Täuschungen nicht fähig sind.

 

Die Riesenotter aus der Familie der Mardertiere leben im Amazonasgebiet in größeren Familienverbänden von etwa 40 Tieren. Sie sind äußerst soziale Tiere mit hoher Intelligenz, die gemeinsam den Nachwuchs betreuen. Sie haben hoch entwickelte Jagd-techniken, treiben Fische gemeinsam in die Enge, während der Nachwuchs die Jagd von den Bruthöhlen am Ufer aus beobachtet. Sie nehmen es sogar mit ihren ärgsten Feinden auf, den Jaguaren und Kaimanen, welche sie mit ihrer ausdauernden Jagdtechnik nicht nur in die Flucht treiben und sogar töten können.

 

Bei den Erdmännchen aus der Familie der Schleichkatzen dient die weitgehende Beibehaltung der 4 T.- Sozialisation der Sicherheit. Ihr Auftreten im Freien hat einen Aspekt des Militärischen. Sie postieren sich manchmal aufrecht in Reih und Glied im Sonnenschein, dann schwärmen sie zur Suche nach Beute (Kleintiere und Insekten) aus, wobei ein Posten an erhöhter Stelle die Luftüberwachung übernimmt, und Alarm schlägt, wenn Gefahr droht (Kommandostruktur). Räuberischen Eindringlingen und konkurrierenden Gruppen begegnen sie unerschrocken in Formation, bevor sie sich ins Getümmel stürzen. Ihr Intimleben in ausgedehnten Höhlensystemen entzieht sich der Beobachtung. Deshalb bleibt ihre Zugehörigkeit zu den 4 T. noch eine vage Vermutung.

 

Dass Zahnwale viertemperamentig sind, wird jedem einleuchten, der den Aufnahmen bei ihrem „familiären“ Gruppengesang lauschen kann: Ihre Charaktere sind deutlich unterschiedlich. Aber wie konnten sie sich aus heutigen Paarhufern entwickelt haben? Gar nicht. Es soll anfangs auch Fleischfresser unter den Paarhufern gegeben haben, welche im Flachwasser Meerestiere jagten. Möglicherweise könnten diese in einer Gruppe Einkreisungsstrategien entwickelt haben, welche sie bei ihrer Evolution als Meerestiere beibehalten konnten. Als Landtiere sind sie ausgestorben. Nun gibt es aber noch die Bartenwale, von denen die meisten sich wie Herdentiere zu kleineren Formationen zusammenschließen, und sich lautstark über große Entfernungen verständigen können. Andere, wie der Blauwal, Zwergwal und der Seiwal sind zu Einzelgängern geworden. Buckelwale kooperieren in kleinen Gruppen, indem sie mit Blasenvorhängen Fische zusammentreiben, haben somit das Erbe der Zahnwale erhalten.                                

Bei den Orcas, typischen Gruppenjägern, wurde schon beobachtet, dass ein Individuum, wenn es eine größere Beute, zum Beispiel einen Seelöwen, erlegt hatte, diese reihum gehen ließ, sodass alle davon ein Stück abbeißen konnten.

 

Zum Vergleich ein paar Beispiele von heute lebenden zweitemperamentigen Säugetieren:

 

Bei den Paarhufern gibt es die größte Variabilität der Formen der Vergesellschaftung. Die Wildschweine sind die einzigen Allesfresser der Ordnung. Da sie äußerst wehrhaft und intelligent sind, können sie sich als Einzelgänger im Wald gegen Beutegreifer behaupten. Es wurde schon beobachtet, dass ein Riesenwildschwein in Afrika bei Angriff eines Löwen zur Furie wurde, als ihr zahlreicher Nachwuchs bedroht war, und den Löwen in die Flucht trieb. Eine Bache bildet mit ihrem zahlreichen Nachwuchs eine Rotte, zu der zur Paarungszeit sich ein Eber anschließt, der ansonsten auch Einzelgänger ist.

 

Alle anderen Paarhufer sind reine Pflanzenfresser, welche als Gruppe nicht um Beute konkurrieren, und daher nur lockere Gemeinschaften bilden. Die Weibchen von Rothirschen schließen sich zu mittelgroßen Herden zusammen, welche eine dominante Hindin anführt; die Männchen bilden außer in der Brunft ein eigenes Rudel. Kamele bilden Gruppen mit einem dominanten Männchen und einem Harem von Weibchen. Männchen, die (noch) nicht zum Zuge gekommen sind, bilden „Junggesellen“herden. Giraffen leben in lockeren Kleingruppen, deren Zusammensetzung sich täglich ändert, da ihre Reviere riesig sind. Elche leben allein oder in kleinen Familiengruppen. Bisons bilden große Herden in offener Graslandschaft, die sich als anonyme Massen gleichsinnig verhalten, offen für Zu- und Abgänge, wobei der Schutz darauf beruht, dass viele Augen mehr sehen als zwei, und die schiere Masse potenzielle Beutegreifer sensorisch überfordert. Da beim Grasen die Sicht stark behindert ist, musste die Gruppenbildung bei den Herdentieren also aufgrund der Bedrohung durch Raubtiere in offener Landschaft beibehalten werden. Bei Gefahr reagieren die Teilnehmer nicht hierarchisch, sondern gleichsinnig ihren Fähigkeiten entsprechend: entweder mit Flucht, wie bei den Antilopen und Gazellen, oder wie bei den Moschusochsen mit Hörnerparade eine Art Wagenburg zum Schutz der Jungtiere bildend. Die größte Herausforderung bei Herdentieren: Innerhalb weniger Stunden müssen die Neugeborenen der Herde folgen können. Erziehungsmaßnahmen wie bei den Viertemperamentigen können und müssen unterbleiben. Deshalb wird meist nur ein einziges Jungtier geboren, welches bald der Herde folgen kann.

 

In Gebirgen lebende Kletterkünstler, wie Ziegen, Schafe, Gemse und Steinbock sind entweder Einzelgänger, oder organisieren sich in beständigeren Kleingruppen, bei denen dann auch Kämpfe um Dominanz stattfinden. In Landschaften, welche Deckung bieten, können sich auch Einzelgänger behaupten.

 

Unterschiede im Temperament kann ich bei Paarhufern nur zwischen Männchen und Weibchen erkennen. Sie sind also zweitemperamentig. Das gilt auch für alle Pflanzenfresser. Ihre Überlebensstrategie ist entweder auf Flucht, oder auf Verteidigung ausgerichtet. Bei Großwild kommt es vor, dass starke dominante Individuen zum Gegenangriff starten, vor allem, wenn der Nachwuchs bedroht ist.

 

Die Elefanten haben die meisten Merkmale der 4 Temperamente bewahrt. Das liegt vor allem an dem größten Gewicht aller landlebenden Säugetiere. Ihr Streifgebiet für pflanzliche Kost und Wasser muss deshalb riesig sein. Die Matriarchin, welche eine weibliche familäre Gruppe mit Nachwuchs anführt, und 60 Jahre alt werden kann, muss ein großes Langzeitgedächtnis für die günstigsten Futter- und Wasserstellen für jede Jahreszeit in der Savanne haben. Außerdem beträgt die Tragezeit eines einzigen Jungtiers 22 Monate, was eine enorme Investition darstellt. An der Aufzucht und ihrem Schutz beteiligen sich alle Weibchen. Der männliche Nachwuchs formiert sich als Junggesellen in Kleingruppen, und wird dann zu Einzelgängern bei der Brunft. Ein Bulle gesellt sich nur zu der Gruppe, wenn ein Weibchen empfängnisbereit ist. Das vermeidet Stress. Elefanten sind äußerst sensibel, und können über weite Entfernungen mit benachbarten Gruppen kommunizieren. Selbst kooperatives Verhalten durch Abstellen einer Wächterin beim Baden ist häufig. Ansonsten haben sie das Verhalten von Herdentieren, welche keinen Streit um die Beute kennen. 

 

Nun zurück zu unseren nächsten Verwandten: In der Broschüre Vom Affen zum Menschen aus Spektrum Compakt finde ich folgendes Statement:

 

Markenzeichen der Primaten: Generalisten

 

Die meisten Säugetierarten zeichnen sich durch Spezialisierungen aus. Nicht so die Primaten. Das Auffälligste an ihnen ist, dass ihnen sogenannte abgeleitete Merkmale, also spezielle Anpassungen, weitgehend fehlen. Die Primaten sind also in vieler Hinsicht ursprünglich geblieben. 

 

Die Paviane haben ein ähnliches Sozialisierungsmodell wie die Löwen mit weiblicher Kerngruppe. Sie suchen ähnlich den frühen Menschen ihr Futter in der Savanne, wo sie sich vor Beutegreifern in Acht nehmen müssen, da sie in offener Landschaft im Nachteil sind. Die Futtersuche in Gruppen ist ihr Schutz. Sie fressen Früchte, Blätter, Echsen und Insekten, und jagen Grüne Meerkatzen, aber kein größeres Wild. Eine Untergruppe verwandter Männchen übt die Herrschaft aus, und vertreibt den männlichen Nachwuchs, sobald er geschlechtsreif wird. Paviane paaren sich polygam, müssen dabei aber die Hierarchie beachten, und dürfen die dominanten Männchen nicht taktlos provozieren.

 

Bei den Gorillas vermag der monströse Geschlechtsdimorphismus das Urteil trüben. Die Kerngruppe besteht aber aus den Weibchen und ihrem Nachwuchs, zu dem auch die halbwüchsigen Männchen gehören, so lange sie noch keinen Silberrücken zeigen. Diese können ihre Geschlechtsreife begrenzt hinausschieben. Herangewachsen unterstützen sie den Silberrücken bei der Verteidigung des Clans. Bei Ableben des Paschas entwickelt dann recht schnell einer seiner Söhne einen Silberrücken, und tritt seine Nachfolge an, es sei denn ein fremdes Männchen hat den Silberrücken besiegt. Wenn sie die Gruppe mit etwa 10 Jahren verlassen müssen, werden sie zu Einzelgängern, oder schließen sich zu Junggesellengruppen zusammen. Die Gorillas ernähren sich von ausgesuchtem Blattwerk, Rinden, Knollen, Früchten, Samen, Kleintieren, Insekten und Pilzen, sind also Universalisten. Sie pflegen ein intensives Sozialleben unter der fürsorglichen Obhut des Silberrückens, der auch als Schlichter bei Streitereien unter den Weibchen tätig wird.

 

Bei den Schimpansen stehen die Temperamente im Dienst der Feinschmeckerei. In den Wipfeln sind sie kaum bedroht. Sie fressen vor allem Früchte und Kleintiere. Da Delikatessen rar sind, und zu unterschiedlichen Zeiten Früchte woanders reifen, muss ihr Revier eine beträchtliche Größe haben. Spähtrupps und Kundschafter durchstreifen lautlos und vorsichtig ständig das Gelände und halten Ausschau nach Konkurrenten und ergiebigen Futterstellen, welche sie ihrem Verband mitteilen. Es herrscht ein ständiges Kommen und Gehen kleiner Gruppen von drei oder vier Individuen. Die folgend abgebildete Chronologie von zwei Tagen aus Partnerwahl im Tierreich zeigt das deutlich.

                         

 

Es ist auch zu sehen, dass die Kerngruppe im Revier aus Männchen besteht. Sie sind meist Brüder oder nahe Verwandte. Die hochrangigen Männchen haben Anspruch auf die besten Futter- und Schlafplätze, und dürfen sich als erste mit einem Weibchen paaren, das in den Östrus kommt. Das hat aber keine große Bedeutung für ihren genetischen Erfolg, da sich die Weibchen mit möglichst vielen Männchen paaren, um den maximalen Schutz für den Nachwuchs herauszuholen, und ihm einen hohen Rang zu sichern, der mit dem Rang der Mutter steigt. Auch Schmeicheleien und Speichelleckereien sind erfolgreich. Die Vaterschaft bleibt somit ungeklärt, alle Männchen können sich als Väter betrachten. Kämpfe um Paarungen wurden nicht beobachtet. Eifersucht wäre Energieverschwendung. Es herrscht vielmehr hemmungslose Promiskuität. Der weibliche Nachwuchs wird bei Eintritt in die Geschlechtsreife vertrieben, um Inzest zu vermeiden. Als Ersatz sind fremde Weibchen willkommen, sollten aber besser ihren Nachwuchs nicht mitbringen, da er mit großer Wahrscheinlichkeit umgebracht wird, wenn er noch klein ist. Schließlich dauert ein Fortpflanzungszyklus fünf Jahre, und in dieser Zeit kann es keinen Nachwuchs von Clanmitgliedern geben. Es wurde auch schon beobachtet, dass bei Mangel an Weibchen die Männchen einen schwächeren Clan überfallen, die Männchen töten, und die Weibchen als Beute nehmen. (Der Raub der Sabinerinnen durch die Römer sind ein analoges Beispiel.)

In dem obigen Diagramm lässt sich ein Weibchen mit Jungtier für ein paar Stunden blicken, und verschwindet wieder am gleichen Tag. Somit ist eine Paarungskontrolle praktisch unmöglich. Das Sozialleben beruht auf dem Prinzip des reziproken Altruismus (wie du mir, so ich dir). Die momentane Uneigennützigkeit ist nur eine scheinbare. In Wirklichkeit entscheidet eine genaue „Buchführung“ über Gefälligkeiten. Niemand will auf Schnorrer und Betrüger hereinfallen. Dazu ist die hohe Intelligenz, Erinne-rungsvermögen, und genaue Kenntnis der Mitglieder vonnöten, was eine größere Gehirnmasse erfordert.

 

Die herrschende Männerkaste entscheidet auch über Krieg und Frieden.

 

Einem Kamerateam war es gelungen, einen Klan filmen zu dürfen. Ich sah im Fernsehen, wie sich Erregung unter den Männchen entwickelte. Besonders rumorte der Frust über den Mangel an verfügbaren Weibchen, welche gerade mit ihren jüngeren Lieblingen auf Explorationstour waren, und die Führungsclique bewachte nur ein Weibchen mit Säugling an der Brust, tabu! Der Anführer drängte zur Tat, und gab das Zeichen zum Aufbruch: Es sollte einen Überfall auf den Nachbarklan geben. Die Kameraleute konnten so schnell nicht nachkommen, ein Schwenk zurück zeigte noch das Weibchen mit Nachwuchs an der Brust, das allein im Lager die Stellung hielt. Vor und bei dem Lager der Nachbarn waren Kameras fest installiert, sodass man den Überfall, etwas verdeckt, leidlich verfolgen konnte. Die dortigen Schimpansen widmeten sich gerade friedfertig der gegenseitigen Körperflege, als sie aufgescheucht wurden. Es gab eine wüste Klopperei, die noch gefährlicher aussah, als sie im Resultat war: Tote und ernstlich Verwundete gab es nicht. Nach einigen Minuten kehrte das Überfallkommando zufrieden ohne Beute zurück: Man hatte es den Nachbarn gezeigt. Die Kameraleute waren irritiert, dass die Aktion keinen anderen Zweck verfolgte, als eine geile Prügelei. Ich sehe sie als Triebentlastung bei sexueller Frustration.

 

Nicht immer gehen die Auseinandersetzungen so glimpflich ab. Jane Goodall berichtete von einem Ausrottungskrieg gegen einen benachbarten Klan.

Aber auf die Jagd gehen die Schimpansen nicht. Dafür fehlt ihnen die Schnelligkeit und eine Strategie am Boden.

 

Um die Nachteile der 4 T-Säugetiere aufzuzeigen, weshalb sie gegenüber den Zweitemperamentigen ins Hintertreffen gekommen sind, muss ich auf die Situation bei den Löwen zurückkommen. 
Das folgende Diagramm zeigt die Entwicklung eines Löwenrudels innerhalb von 7 Jahren (wiederum aus Partnerwahl im Tierreich).
 

 

Es zeigt sich schon auf auf den ersten Blick, dass die Säuglingssterblichkeit extrem hoch ist. Bei Rudelübernahme bringen die Männchen alle Jungtiere um, die noch nicht ein Jahr alt sind. Auch die Nachkommen innerhalb der gleichen Zeit werden totgebissen, da sie noch von den vertriebenen Männchen abstammen. Spontane Aborte durch den Stress der Rudelübernahme kommen auch vor. Auch die generelle Sterblichkeit der Jungtiere ist hoch aus Gründen, die nicht angegeben wurden. So hat die zweite Männchengruppe keinen überlebenden Nachwuchs hervorgebracht. Die Not in den fast drei Jahren muss so groß gewesen sein, dass drei subadulte Männchen vertrieben wurden, und zwei erwachsene Weibchen das Rudel verlassen mussten. Sie stammen noch von der ersten Männchengruppe ab, von denen eines die Übernahme nicht überlebte, das andere flüchten musste. Synchronisierte Geburten unter der 1. Männchengruppe im letzten dokumentierten Jahr gab es von vier Weibchen; unter der zweiten Männchengruppe gab es die in drei Jahren nur von zwei Weibchen. Unter der dritten Männchengruppe gab es im 2. und 3. Jahr jeweils 2 Synchronisationen von 2 Weibchen (die synchronen Geburten bei Rudelübernahme habe ich nicht mitgezählt). Über die hohe Sterblichkeit der Jungtiere kann ich neben dem Mangel an Beute nur diese Vermutung anstellen: Im Gegensatz zu den Herdentieren, welche schon nach wenigen Stunden der Herde folgen können, bedarf der wenig entwickelte Löwennachwuchs intensiver Pflege, Erziehung und Bewachung in einer „Kinderkrippe“, was von allen Mitgliedern der Gruppe, auch von Löwenmännchen, abwechselnd übernommen wird. Die Jungtiere sind anfälliger für Krankheiten, und leiden mehr unter Nahrungsmangel, welcher unvorhersehbar ist. Da die Sterblichkeit so hoch ist, dass nur etwa 20% der Gezeugten das Alter von einem Jahr erreichen, und 3000 Kopulationen nötig sind, um einen zeugungsfähigen Erwachsenen zu hinterlassen, gibt es kaum Rivalität bei der Begattung zwischen den Männchen, die sowieso meist Geschwister sind. Die Weibchen sind als Stammhalter-innen des Rudels meistens miteinander verwandt (Adoptionen sind möglich). Das zu erwartende Schicksal der ausgestoßenen Männchen wie Weibchen ist auch nicht rosig: Sie müssen sich entweder mit einem minderwertigen Revier zufrieden geben, wobei viele verhungern, oder versuchen, bei einem etablierten Rudel Aufnahme zu finden. Bei der Rollenverteilung innerhalb des Klans grassiert das Lustprinzip. Bei kleinerer Beute, macht sich diejenige Löwin zur Jagd auf, die am meisten Lust dazu verspürt. Die anderen schauen erst einmal zu (Sie schafft das schon!). Wenn sie aber überraschend in Not gerät, eilen andere ihr zu Hilfe, wenn nötig auch der Pascha, der sich sonst lieber um  seinen Nachwuchs kümmert und sich mit der Beute bedienen lässt. Einerseits gehen die Löwen sparsam mit dem Einsatz ihrer Kräfte um, aber umso mehr verschwenden sie Energien an den Nachwuchs. Man kann also nicht sagen, dass dieses recht anarchische Sozialisierungsmodell mit der höchsten Säuglings-mortalität besonders attraktiv ist. Kein Wunder, dass die Evolution bei den Feliden zu dem einfacheren und überschaubareren zweitemperamentigen Modell übergegangen ist.

 

 

                        Anmerkungen zu den kulturellen Traditionen

 

Hierher gehören vor allem gemeinschaftliche „Gesänge“, die in jeder Gruppe unterschiedliches Gepräge haben, sodass die Gruppenzuge-hörigkeit erkennbar ist. Beispiele: Wölfe, Wale.

 

Der Werkzeuggebrauch, eine Erfindung meist experimentierfreudiger jugendlicher Mitglieder, die dann von älteren übernommen wird. Beispiele: bei Schimpansen das Zertrümmern von Nussschalen mit einem Stein; Hervorholen von Beute mit einem Zweig oder Stock, Entfernung von Hindernissen.

 

Spezielle Strategien der Kriegsführung und eines Überfalls.

 

Das Schlichtungswesen bei innerartlichen Konflikten. Beispiele: Bonobos, Gorillas

 

 

      Sexuelle Besonderheiten der viertemperamentigen Tiere

 

Die Zoophilie: Sie ist bei allen freilebenden viertemperamentigen Tieren eine Sexualausstattung minderen Ranges, weil die ökonomische Basis dafür fehlt. Sie wird erst dann zu einer prägenden Vergesellschaftung, wenn sich für beide Seiten daraus ein Vorteil ergibt.

 

Die Bisexualität: Sie ist die Voraussetzung zur Bildung rein männlicher oder weiblicher Koalitionen, Bünden und Jagdgemein-schaften, die besonders bei den Löwen vielfach belegt ist.

 

Ganzjährige Paarungsbereitschaft: Da das Sozialverhalten von der ganzjährigen Sexualität bestimmt wird, allerdings von Tabus und Sitten eingegrenzt, ist sie zwingend.

 

Die Promiskuität: Sie resultiert einmal aus der ganzjährigen Paarungsbereitschaft, zum anderen aus dem Fehlen eindeutiger Paarungsregeln.

 

Die Pädophilie: Sie bedeutet, dass der Schutz, Hegetrieb und die Erziehung sich nicht nur auf den eigenen Nachwuchs beschränkt, sondern auch alle Nachkommen der Gruppe mit einbezieht.

 

Die Nekrophilie als Bewusstsein des Todes

 

 

Zur Zoophilie: Sie ist aufgrund der fehlenden ökonomischen Ergänzung oder Gemeinsamkeit ein seltenes Phänomen.

Unter dem Patronat von Menschen und aufgrund der gemeinsamen Futterquelle sieht man Paarungs- und Besteigungsversuche sowie Geselligkeiten zwischen unterschiedlichen zweitemperamentigen Tieren. Diese sehe ich als Ausdruck einer Not- und Bedrängnissituation durch Zusammentreffen mit anderen Arten, die sich sonst meiden, oder feindlich gegenüberstehen. So kommt es zu sexueller Verwahrlosung (Gefängniskoller), wie sie auch unter den „zivilisierten“ Menschen selbst vorkommt. Ein Beispiel dafür schildere ich im vorigen Kapitel. Als Gegenargument lasse ich diese Verhaltensweisen, die in freier Wildbahn nicht vorkommen, nicht gelten.

 

Zur Pädophilie: Von den Löwen ist bekannt, wenn die Erwachsenen gemeinsam auf die Jagd gehen, dass ein Elternteil den Schutz aller Jungtiere übernimmt (Kindergarten und Schule), gerne auch der Pascha, der unnötige Anstrengungen meidet, und sich von den Weibchen versorgen lässt. Bei Schimpansen ist belegt, dass die Mutter ihr Junges anderen Mitgliedern der Gemeinschaft (oft den Paschas) zeitweise überlässt, und solches auch erwartet und gefordert wird, um eine Beziehung mit Verantwortung aufzubauen. Übergriffiges Verhalten wird bei Entdeckung sofort sanktioniert.

Zur Nekrophilie: Nekrophilie setzt das Bewusstsein des Todes voraus. Man hat sie auch bei den Zweitemperamentigen mit hoher Intelligenz entdecken können. Ich sah in einem Filmbeitrag eine Elefantensippe auf der Wanderschaft bei einem entdeckten toten Artgenossen eine stille "Andacht" abhalten. Bei Giraffen wurde  ähnliches beobachtet. Aber viel weiter geht die Trauer nicht. Bei den Viertemperamentigen ist die Thanatophilie  aufwändiger: Trauerrituale, Trauerzeit dauern wegen der engen Bindungen länger. Manchmal werden tote Angehörige noch eine Weile mitgeführt, vor allem Kinder von ihrer Mutter.