Eine Datura-Invasion in meinem Garten

 

 

Da ich in einer Gegend der Weinberge lebe, begegnete ich öfter der wild wachsenden Datura stramonium, welche dort auf Komposthaufen aus Maische anzutreffen ist. Mir gefiel die Blühwilligkeit bis zum ersten Frost. Außerdem interessierte mich die Wirkung als Heilpflanze: Ich hatte gelesen, dass sie früher in der Form von Asthmazigaretten in der Apotheke erhältlich waren. Marcel Proust, der Asthmatiker war, soll damit in 200-facher Dosierung auf den Trip gegangen sein: er kam dann kaum noch aus dem Bett heraus. Obwohl ich kein Asthmatiker bin, wollte ich doch einmal die Wirkung testen. Ich fabrizierte eine selbstgedrehte Zigarette mit etwa ¼ getrockneten Daturablättern. Eine berauschende Wirkung verspürte ich nicht bei dieser Dosis, dafür aber eine relaxierende, sodass ich bald die Toilette aufsuchen musste. Außerdem hemmt sie den Speichelfluss. Ich stellte fest, dass mein Bedürfnis nach Nikotin dadurch deutlich, um mehr als die Hälfte, ohne Entzugserscheinungen reduziert war. Der Genuss ist allerdings grenzwertig: Nach drei bis vier Zügen legte ich die Selbstgedrehte wie eine Zigarre wieder beiseite. Einen Verzehr der Blätter, oder einen Aufguss daraus, wagte ich nicht, da die Wirkung, ähnlich wie bei Fliegenpilzen, unkontrollierbar ist.

 

 

 

 

Die Dat. stramonium erwies sich in meinem Garten als Schneckenattraktor, und damit als Beschützerin meiner Salatköpfe. Nur als stark zehrende Erstbesiedlerin, wobei die Boden-qualität eher unwichtig ist, wächst sie zu größeren Büschen heran. Die Blüten und stacheligen Samenkapseln weisen nach oben, die Samen sind schwarz. Die Blätter sind gezähnt. Da ständig neue Samen reifen, ist die Vermehrung gesichert.

 

 

 

In Süditalien, wo es keinen Frost gibt, sah ich einen großen mehrjährigen Busch der mediterranen Art auf einem Schutthaufen, deren gelbbraunen Samen ich in meinem Garten einsäte. Diese Art ist in ihrer Erscheinung deutlich eindrucksvoller: Die Blüten sind größer und prachtvoller, die Blätter herzförmig, die Stiele behaart, sodass die Schnecken sie meiden. Schädlinge mindern erst spät im Jahr die Schönheit. Die Samenkapseln wenden sich nach der Blüte nach unten, sodass sie die gelbbraunen Samen früher freigeben. Als Rabatte sind die Pflanzen ein Hingucker. Im Gegensatz zu den tropischen Arten zeigen die  rahmweißen Blüten in den gemäßigten Zonen nach oben, da die Kolibris fehlen, und sie von Pollen sammelnden Wildbienen und anderen Insekten vor allem morgens besucht werden. Die Blüten duften kaum wahrnehmbar dumpf.  Reibt man ein Blatt mit den Fingern, fühlt es sich samtig an, und es bleibt ein strenger Geruch deutlich an ihnen kleben.

 

 

 

Unvergleichlich war das Erscheinen dieser Art im Dürresommer 2018. Während auf meinem Beet fast alles trotz Bewässerung wegen der Hitzewelle verdorrte, hatte sich eine Pflanze an der Hauswand zwischen Kieseln ohne mein Zutun etabliert, und gedieh ohne Bewässerung prächtig. Sie nutzte dabei wohl auch die verfallende "Infrastruktur" des Weinstocks daneben, der von der Gelbblätterkrankheit dahingerafft worden war. Unter den Betonplatten gab es noch reichlich Wasser für sie, und an der Hauswand sorgte sie für eine gründliche Drainage.

 

Zustand vom 8.7.

 

 

 

 

 

Das nebenstehende Bild zeigt den Zustand vom 15.9.18. Ich hatte die Blühfreudigkeit durch Entfernen der Fruchtansätze begünstigt. Die einzelnen Blüten öffnen sich am Abend (Nachtschattengewächs), und schließen sich im Laufe des nächsten Tages spätestens am Abend wieder. Man sieht aber den überreichen Blütenvorrat, sodass es bis zum ersten Frost so weitergeht. Ab Mitte Oktober setzte Befall an, und die ersten Blätter welkten. Bei etwa zwei Meter Höhe hörte das Wachstum auf. Eine erstaunliche Leistung in kurzer Zeit bei den harten Bedingungen.

 

           1919

 

 

Neues Leben

Nach dem ersten Frost hatte ich den armdicken Stumpf als Frostschutz abgedeckt. Im Frühjahr war er erfroren, und ich brach ihn heraus. Zu meinem Erstaunen trieb die Pflanze von tief unten neu aus, und zeigte sich am 15.6.1919 wie auf dem Foto. Ich kann mich aber auch irren, und es sind Sämlinge. Die weitere Entwicklung lässt mich hoffen.

 

 

Wie ich schon anmerkte, ist die Datura eine Erstbesiedlerin. Sie legte hier anfangs noch einmal prächtig los, aber entwickelte sich danach verhaltener als im ersten Jahr. Der Schädlingsbefall zeigte sich früh, und die Blätter zeigten nicht mehr das satte Dunkelgrün. (11.8.) Der Neuaustrieb bei einer überwinterten Pflanze, wenn es ein solcher ist, ist deutlich minderwertiger und anfälliger für Schädlinge, wie die weitere Entwicklung zeigte.

 

 

 

 

 

Hier der gleiche Austrieb mit frischen Sämlingen nebenan in seiner größten Pracht am 19.10.,  meine Kakteen geradezu unverschämt überwuchernd. Es ist deutlich zu sehen, dass der Nachtrieb aus dem vergangenen Jahr zurückgeblieben ist, und sich langsam verabschiedet. Die Blätter sind heller, und viele bereits abgeworfen.

 

2020

Im Jahr meines Gartendesasters erschienen die Datura trotz dramatischer Dürre unbewässert wieder in alter Pracht an meiner Hauswand, wo die winterlichen Regenfälle unter den Betonplatten konserviert werden. Auch hier ist wieder zu sehen, dass die Pflanzen links heller sind, und sich früher verabschieden werden.

 

 

Bild vom 28.8. morgens. Der Nachwuchs links kommt wie der bei der Leiter aus Samen, und ist deshalb genau so prächtig. Im vergangenen Jahr war dort ein Neuaustrieb aus dem Wurzelwerk des verflossenen Jahres, der anfällig für Schädlinge war.

Sogar aus den Ritzen zwischen den Steinplatten sprießen die Sämlinge empor. 

 

 

Den eingeblendeten Bilddaten lässt sich entnehmen, dass Datura in der Nacht aufblüht (Nachtschattengewächs). Die Blühzeit einer einzelnen Blüte beträgt im Sommer ca. 18 Stunden. Im Oktober gerät dieser Rhythmus durcheinander, und die Blüten bleiben auch tagsüber noch lange offen. 

 

 

Immer noch nicht ausgeblüht. Erstaunlich, was meine Kultpflanze (es sind 2) in diesem Dürrejahr hervorgebracht hat. Links davon waren die Pflanzen schon von Schädlingen befallen, und hatten viele Blätter abgeworfen. Dort ist der Boden wohl schon ziemlich ausgelaugt. Fotos vom 7.10.20

 

 

Typischer Blattbefall ab Oktober, bildet konzentrische Kreise.

Auf den Anbau der Weinberg-Datura als Schneckenattraktor kann ich verzichten, da die kleinen schwarzen Schnecken, welche sich im Salat tummelten, in meinem Garten vorerst ausgestorben sind.

 

 

 

 

 

 

   

 2021

 

In der Nähe des Komposters hat sich eine Datura unter dem Bretterzaun hervorgezwängt, und genießt im August die volle Sonne.

 

An der Hauswand hat die Üppigkeit der Pflanzen deutlich nachgelassen, und der Schädlingsbefall ist stärker. Die Datura sind Erstbesiedler, und der Boden ist nach 4 Jahren ausgelaugt. Trotzdem ist die Blühwilligkeit am 10. Oktober noch erstaunlich.

 

 

 

Im Jahr 2022 hatte es zwischenzeitlich im Sommer ausgiebig geregnet. So wucherten die Sämlinge über die Mauer mit den Kakteen hinaus in meine Pergola. Die Datura am Ursprungsort blieben kümmerlicher und wurden früh unansehnlich. Die stark zehrenden Pflanzen hatten ihr Revier ausgelaugt. Foto vom 19.11.22 kurz vor dem ersten Frost.

 

 

 

 

                        Vorstellung beendet