Eine außergewöhnliche Begegnung
In der Nacht zu Pfingsten machte ich wie für mich üblich noch einen Rundgang durchs Viertel, um mir die nötige Bettschwere zu verschaffen. Um die Zeit sind alle Rollläden bereits unten, und ich bin der einzige Mensch, der noch unterwegs ist.
Mein Bewegungsdrang führte mich in gestrecktem Lauf den Einsiedlerweg hoch zur Schonung meiner Fußgelenke, wobei ich weder nach rechts oder links schaue. Nach 400 Schritten ging mir die Puste aus und blieb stehen. Da kam eine schwarze Katze auf mich zu, und verharrte einen Augenblick. Ich dachte zuerst, dass es Nachbars schwarze Katze sei, welche um diese Zeit sich oft mit großem Vergnügen mir anschließt, um die Vorgärten jenseits ihres gewohnten Reviers zu beschnuppern. Aber diesmal war es anders.
Auf meine Einladung kam sie sofort zu mir und strich mir um die Beine. Sie suchte den körperlichen Kontakt und wollte gekrault und geknuddelt werden. Das konnte nicht Nachbars Katze sein, die sich spröder verhält. Im Licht der Straßenlampe konnte ich sehen, dass das Fell dichter und krauser war, und die Farbe ein dunkles schwarzbraun. Das konnte nur ein abenteuerlustiger junger Kater mit dem Wunsch nach Sofortkontakt sein, dem ich noch nie begegnet war. Er hatte seinen überschwänglichen Rappel und konnte gar nicht genug an Zuwendung bekommen. Er wälzte sich am Boden auch auf dem Rücken und genoss es, gründlich durchgeknetet zu werden. Das dauerte eine Zeit.
Mich lockte jetzt das Bett, aber so einfach ging es nicht. Er folgte mir zwar, ließ sich aber nicht abwimmeln, und nach jeweils zehn Schritten forderte er wieder meine Aufmerksamkeit. Nach und nach erreichte ich wieder das Gartentor, und schon war er in meinem Garten. Dort setzte ich mich in den Sessel in der Pergola, während er den Garten inspizierte. Ich wusste ja nicht, ob er ein Ausreißer und in Not war, deshalb füllte ich einen Napf mit einer kleinen Portion Katzenfutter und stellte ihn hin. Der fand aber nur kurz Beachtung. Hunger nach Beköstigung hatte er nicht. Zwischendurch bei der Inspektion wollte er immer wieder eine Streicheleinheit, bis ich ins Haus ging. Auch dahin folgte er mir und inspizierte aufgeregt das ganze Haus, Keller inklusive.
So langsam reichte es mir aber und ließ es genug sein. Ich ließ die Tür zum Garten einen Spalt offen, verzog mich ins Schlafzimmer und machte mir im Bett Gedanken, ob ich jetzt wohl bei seiner Einquartierung Probleme bekommen würde, einmal weil ich wegen meines Alters mich nicht mehr für seine ständige Haltung geeignet halte, zum anderen wegen einer Begegnung mit Nachbars Katze, die zur Beköstigung auch ins Haus kommt.
Am nächsten Morgen war er verschwunden, und der Napf unberührt. Ob ich ihn jemals wiedersehe, kann ich nicht wissen. Auf jeden Fall verdanke ich ihm einen vergnüglichen Nachtspaziergang.