Die Paare
Mein Einstieg in die Thematik der Temperamente begann mit der Beobachtung von Paaren. Dabei war es eine Hilfe, dass ich bei Einladung in Familien und Paaren quasi als Eunuch außer Konkurrenz blieb und es vermied, bei internen Streitereien Partei zu ergreifen, mich vielmehr zurückhaltend um Distanz bemühte, keine Fragen stellte, und keine Wertungen äußerte. Meine Erfahrungen waren nur dadurch möglich, dass sie in privatem Milieu entstanden. Als Autoritätsperson oder Würdenträger wäre ich mit einer Täuschung abgeblockt worden. Schon die Absicht, später ein Projekt daraus zu machen, hätte mich unbewusst um meine Erfahrungen gebracht.
Gewöhnliche Paare nenne ich langzeitliche Verbindungen auf der gleichen Schiene des Traktats. Den Begriff der Schiene wählte ich, weil er am besten das ewige Tauziehen in der Verbindung versinnbildlicht, das der energetischen Aufladung morgens und der Entladung abends dient. Paarungen, die von anderen Interessen bestimmt sind, und die nicht auf der gleichen Schiene zu verorten sind, nenne ich ungewöhnliche Paare. Bei diesen Paaren ist die sexuelle Bindungskraft geringer, und die Interessen stehen im Vordergrund, z. B. morga-natische Ehen in Königshäusern und solchen, die der Vermehrung oder Bewahrung des Eigentums oder einer ideologischer Zielsetzung dienen sollen. Dann gibt es noch die Scheinehen, die nur auf dem Papier stehen, und die dem gesellschaftlichen Ruf oder der Erlangung staatlicher Vorteile dienen sollen. Diese sehe ich nicht als Paare.
Komplementäre Paare auf der gleichen Paarungsschiene sind die kleinste langzeitstabile Einheit intensiver Beziehungen, weil dort alle vier sexuellen Grundwerte vertreten sind. Sie sind eine wichtige Bestätigung meiner Theorie der psychischen Wechselwirkungen. Es ist daher sinnvoll, damit zu beginnen. Ich zeige hier sowohl einige typische wie auch problematische „Fälle“.
Hier sind zwei Paare (1905) zu sehen, links auf der feindlichen Schiene, rechts auf der freundlichen. Sollten sie mit diesem Foto ihre enge Verbundenheit zum Ausdruck bringen, würde ich sie in meiner Diktion eine private Viererbande nennen, mit der Zielsetzung Freizeitgestaltung. Darüber mehr im nächsten Kapitel.
Paare auf der feindlichen Schiene
Noch kein Paar, soll aber eins werden
Auf diesem Bild von Dominique Ingres versucht Paolo Malatesta mit seinem verwegenen Überfall und simulierter Unterwerfung seine hoch verehrte Francesca da Rimini zu erobern. Diese könnte sich geschmeichelt fühlen, zeigt sich aber indigniert über seine Aufdringlichkeit, zweifelt an der Echtheit seiner Gefühle, ziert sich, bleibt passiv, und wendet sich mit schlaffen Armen ab. Sie kann in dieser Situation der Bedrängnis nicht die Oberhand gewinnen. Warum kommt er mit dem Degen? Sie weist ihn aber nicht direkt ab, und hält sich vorsichtig die Entscheidung offen, ob noch ein Paar daraus wird.
Ein Mennonitenprediger
Das Gemälde von Rembrandt zeigt einen sektiererischen Mennonitenprediger, der seiner begriffsstutzigen Ehefrau, die wohl verschnupft ist, beizubringen versucht, dass das Licht der Wahrheit einzig und allein in den Folianten zu finden ist, die das Licht der Erkenntnis umflort. Alles Drumherum ist in tiefes Dunkel gehüllt. Der Prediger deutet bewegt auf seine heiligen Schriften hin, und versucht seine Frau aufzurichten, die stumm und kummervoll dasitzt, und die Predigt über sich ergehen lässt. Sie scheint kaum etwas zu begreifen.
Der Glaubensstreit
Ehepaar Luther Ehepaar Luder
Dr. Martin Luther war ein verhinderter Revolutionär. Von den Zuständen in Rom erschüttert, kehrte er als Verehrer von Savonarola zurück. Nur die politische Weitsicht seines Fürsten bewahrten ihn davor, dem Radikalismus zu verfallen. Mit seiner Bibelübersetzung verhalf er einer Medienrevolution des gedruckten Worts zum Durchbruch. Seine Herkunft kann man nicht als glücklich bezeichnen. Die Luders machen einen verhärmten Eindruck. Da wird wohl wacker geprügelt worden sein. Der Vater zeigt das Problem mit seiner Alkoholikernase, die sich später auch bei dem Sohn einstellen sollte. (Bier und Wein waren damals im Gegensatz zu Trinkwasser die am wenigsten kontaminierten Getränke). Der Borderline-Flagellantismus ihres Sohnes (Namensänderung aus verständlichem Grund), der selbst bei den Augustinern Anstoß erregte, ist nicht gottgegeben und weist auf ein hohes Konfliktpotential hin. Erst die ordnende Hand Katharinas, die auch für die ökonomische Existenz des Paares sehr erfolgreich sorgte, machte Luther in den höheren politischen und intellektuellen Kreisen gesellschaftsfähig. Er selbst war ja ein halber Diogenes, der mit einer Kutte auskam.
Das Ehepaar Luther vertauscht das Geschlecht auf der feindlichen Schiene.
Verherrlichung eines Schriftstellers
Ein königliches Familienfoto
Bei diesem Familienfoto des Monarchs von Benin (um 1900) überkommt mich ein Schauder. Die feindliche Einstellung des Paares ist offensichtlich: Hier hat die Niedertracht eine Heimstatt gefunden. Unter den Kindern sehe ich nur zwei, die ich als freundlich einschätze: sie stehen links oben. Alle zeigen sich hart betroffen von der hasserfüllten seelischen Gemengelage. Das Bild macht den Eindruck der Zerrissenheit. Die Personen sind gekleidet wie Kraut und Rüben, halb europäisch, halb afrikanisch. Ins Auge fallen die Ketten. Nicht nur der Haussegen hängt schief, das ganze Bild ist verkantet.
Der Frust
Der Maharadscha Holkar posiert hier überheblich mit gelangweilter Miene mit seinem Leibdiener. In bräsiger breitbeiniger Haltung schiebt er das Schwert ins Bild, als ginge ihn die Inszenierung nichts an. Sein oberster Diener darf sich nicht zu wichtig nehmen, und muss demütig zu seinem Herrn herunterblicken. Seinen Wedel hält er mit eisernem Griff, als wolle er gleich damit zuschlagen. Die Inszenierung des Bildes ist nachlässig und lieblos, der Fotograf war wohl auch gelangweilt.
Unabhängig von dem Rang der Betroffenen sehe ich beide als Paar, da ich sie auf der gleichen Paarungsschiene verorte, wo sie sich am besten ergänzen. Das ist auch heute übrigens meistens die Regel zwischen Chef und engstem Mitarbeiter.
Eine frohe Botschaft, mit großem Ernst verkündet
Ein Votivbild von Marx und Engels von einem mittelmä-ßigen Maler. Die Verkünder eines Erlösungskonzepts stehen steif und starr um Würde bemüht in einem bürgerlichen Studierzimmer. Marx hält eine Lupe und ein Blatt Papier, schaut aber darüber hinweg, als schaue er von einer Kanzel auf seine Gemeinde. Engels steht als sein Adjutant, Finanzier und Promoter schräg dahinter, als warte er händeringend auf ein Kommando, wann man zur Tat schreitet.
Holde Eintracht, süßer Frieden
Bei dieser Brautbettszene mit John Lennon und Yoko Ono ließ die Inszenierung nichts zu wünschen übrig. Das Gutmenschentum ist hier mit Blumengebinden perfekt in Szene gesetzt. Die Musik ist auf Stand-by. Es ist als ob ein Ehejubiläum mit würdigem Brimborium vor der Öffentlichkeit gefeiert würde. Ist aber bloß ein Fototermin bei schlechtem Wetter. Freue sich, wer kann. "Happiness is a warm gun". (J. Lennon)
Ein skandalöses Paar
Dieses Liebespaar löste im sittenstrengen England der Königin Victoria einen großen Skandal aus. Der durch seinen Roman „Das Bildnis des Dorian Grey“ berühmte Schriftsteller Oscar Wilde geriet durch seine Beziehung zu Lord Alfred Douglas, welche er nicht verheimlichte, aber deren Intimität er bestritt, in die Fänge der Justiz, was vor allem Lord Douglas Senior hartnäckig betrieb. Dadurch provozierte er die Moralvorstellungen seiner Zeit. Auch sein Liebling distanzierte sich später von ihm, und wurde religiös. Wilde posiert hier dandyhaft exquisit, während Douglas wie sein Schüler daneben sitzt.
Der Reiz der Gewöhnlichkeit 1
Das unverwüstliche Komikerpaar Laurel und Hardy, das mit der zutiefst menschlichen Schadenfreude sein Geld verdiente, zeigt sich hier mit Stullen und Milchflasche wie ein Vertreterpaar bei der Rast auf einer Überlandfahrt. Ohne ihren Slapstick und die Grimassenschneiderei sehen sie aus wie gewöhnliche Bürger aus der unteren Mittelschicht. Nur die Bowlerhüte sorgen für einen Restbestand an Komik. Der Anschein der Normalität hat wohl ihren Reiz ausgemacht und ihren Erfolg begründet. Viele konnten sich mit ihnen identifizieren.
Der Reiz der Gewöhnlichkeit 2
Die beiden unzertrennlichen Filmhelden aus Italien werden hier äußerst kontrastreich ins Bild gesetzt. Unter Aufbietung seines Charmes stupst Don Camillo den Stalinverehrer Peppone an, der soll etwas einsehen oder tun. Peppone baut sich auf wie eine Mauer, an der alles abprallt. Niemals wird er herumkaspern wie dieser Schlaumeier, seine eindrucksvolle körperliche Statur ist impo-nierend genug. Er steht einfach bloß da, ist über die körperliche Berührung indigniert. Als Mann von Gesetz und Ordnung ist er gewohnt, ohne viel Gerede zu befehlen. Wer von den beiden sich durchsetzen wird, bleibt offen. Wenn es eine ganze Filmserie werden soll, muss jeder mal gewinnen und verlieren.
Es ist ein ständiger Kampf mit ungewissem Ausgang, wie es bei Paaren üblich ist. Das begründete den Erfolg.
Emanzipation
Stark verbittert zeigt sich das Paar amerikanischer Pferdediebinnen. „Cattle Annie“ zeigt ganz offen, was sie will. In fast eleganter schwarzer Aufmachung bringt sie ihr Gewehr bei Fuß, in der linken Hand zerknüllt sie ein Stück Papier, vielleicht die Fahndung nach ihr. „Little Britches“ macht einen männlichen Eindruck und drängt sich nicht in den Vordergrund. Sie trägt einen Patronengürtel und hat ein hartes entschlossenes Gesicht. Sie verbirgt mehr, als sie zeigt: ihre Hände hält sie hinter dem Rücken.
Unterschiedliche Interessen
Im Zuge der Restauration streben Napoleon und Josephine nach imperialen Würden. Napoleon erobert und besetzt diese noch gängigen Werte ganz nüchtern zynisch aus politischem Kalkül, Josephine schwelgt darin. Die große Liebe währte aber nicht lange: Napoleon gab ihr aus dynastischen Gründen den Laufpass, und ehelichte Marie-Luise von Österreich.
Tragische Schicksale
Das Ehepaar Curie erhielt insgesamt fünf Nobelpreise für die Entdeckung der Radio-aktivität und einiger Transurane. Ihre Existenz war von Tragödien überschattet: Er wurde bald nach dieser Aufnahme von einem Fuhrwerk tödlich überfahren, sie starb an der Strahlen-krankheit. Bei der Betrachtung des Fotos kommt kein Frohsinn auf, sie waren zu ernst bei der Sache. Lachend kann ich mir sie nicht vorstellen. Die ängstliche Tochter sollte in die Fußstapfen ihrer Mutter treten, und das gleiche Schicksal erleiden.
Ein Königspaar aus Ägypten
Dieses wenig attraktive Flachrelief aus Amarna von Echnaton und Nofretete habe ich ausgewählt, weil es die lebensnächste Darstellung des Königspaars ist, die ich finden konnte. Fernab von den genormten ritualisierten Darstellungen der Pharaonen ist hier der einzige Hinweis auf die Königswürde die Uräusschlange. Echnaton ist als Behinderter dargestellt, der sich in verdrehter Haltung auf seine Krücke stützt. Arme und Beine sind kraftlos, die Körperpro-portionen unharmonisch. Die Krankheits- und Degenerationserscheinungen aus Geschwisterehen mehrerer Generationen sind deutlich erkennbar. Diese Darstellung ist ein Affront gegen die konventionellen Erwartungen von Stärke und Gesundheit eines Königs. Er revoltierte gegen die etablierten Götter, die ihn derart schmählich benachteiligt hatten, und hatte den provozierenden Mut, sich so dargestellt zu sehen, wie er sich fühlte. Sein Ideal war die strahlende Schönheit, der er nicht entspre-chen konnte. Er fand sie in der Kunst, der Musik, in seiner Hymne an die Sonne, und nicht zuletzt in seiner Gemahlin Nofretete unbekannter Herkunft, deren Schönheit noch heute gepriesen wird, und die ihn hier mit einem Strauß Blumen tröstet. Sie steht standfest symmetrisch, und war die energische Frau, die ähnlich Luthers Katharina seine revolutionäre Idee eines monotheistischen Sonnenkults in die Tat umsetzen konnte. Das Paar ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich Gegensätze anziehen. Meistens werden ja die Gemeinsamkeiten gesucht, die im Bereich der Fetische (materielle oder geistige) zu finden sind. Das Gottesmodell von Echnaton konnte keine nachhaltige Wirkung entfalten, unter anderem auch, weil der Teufel fehlte.
Ein früher Mathematiker
Auf diesem Bild herrscht Ordnung. Der Mönch und Mathematiker Luca Pacioli, der die doppelte Buchführung systemati-sierte, hat sich frontalsymmetrisch in Positur gestellt, und zeigt mit Schreib-griffel auf eine geometrische Figur, mit seiner Linken auf ein Buch. Rechts ist ein Dodekaeder zu sehen, links ein gläserner Raumkörper höherer Ordnung. Seine Haltung ist aufrecht, seine Miene streng. Der junge Schnösel bleibt in dieser Ordnung ein Fremdkörper. Mit zweifelndem Blick und Schnapsnase wendet er sich in schrägem Stand hoch-mütig dem Maler zu. Er trägt einen Hand-schuh, als könne er sich hier die Finger schmutzig machen. Hat er sich als Finan-zier die Eintrittskarte für dieses Bild gekauft, in der Hoffnung, dass von dem Ruhm auch etwas für ihn abfällt? Der wohl kaum begüterte Mönch straft ihn mit Nichtachtung. Ein echtes Paar liegt hier nicht vor, auch wenn die Polarität stimmt.
Ein Borderline-Paar
Klaus Kinski, der sich als finsterer Bösewicht in den Edgar Wallace Filmen immer verkannt fühlte, wurde erst von dem renommierten Regisseur Werner Herzog für seriöse Filmprojekte eingesetzt. Der brachte ihn allerdings an die Grenze seiner Leidensfähigkeit, was knapp an Mord und Todschlag vorbeiging. Beide sind hier als Finsterlinge ins Bild gesetzt, Kinki als Draufgänger mit Fluppe, Herzog bärenstark. Bei Kinski schlug überbordende Freundlichkeit im Umgang mit seinen Freunden (im Internet zu sehen) leicht in exaltierte Hasstiraden um, die in tobendem Zerstörungsdrang kulminieren konnten, wenn die Tirade ausgelutscht war. Herzog wollte aber nicht seine Tiraden in seine Filme einbauen, ihn faszinierte das Dämonische seiner Erscheinung. Vor allem wollte er ihn finster und leise wie in den Edgar-Wallace-Filmen. Ursprünglich wollte Herzog die Rolle des Aguirre selber spielen, kam davon aber ab, da ihm das schauspielerische Talent abging. Seine eigene und Kinskis Leidensgeilheit reizte er im Urwald voll aus. Das war allerdings nicht Kinskis Wunschtraum als Schauspieler. In seinem Filmbericht „Mein bester Feind“ schildert Herzog, wie er es schaffte, den Aspekt eines Triebtäters herauszukitzeln. Mit einer Nichtigkeit konnte er ihn explodieren lassen. Er ließ ihn dann ruhig sich austoben, und wartete ab, bis Ladehemmung eintrat. Dann öffnete er immer in leisem Tonfall die Falltür mit dem Wort Tagesordnung. Erst danach war Kinski in der Verfassung, die Herzog in seinen Filmen sehen wollte: ein Spiel mit dem Feuer. Er verstand es, Kinski regelrecht zu manipulieren.
Das Chaos
Es reizt mich, an dieser Stelle unseriös zu werden, und ein fiktives sadomasochistisches Albtraumpaar vorzustellen, welches ich im Gran Cratere auf der Insel Vulcano entdecken konnte. Die physiogno-mischen Details sind gar zu treffend. Ich habe die beiden von Rauch umwaberten Schwerenöter Hephaistos & Vulcanus genannt. Zu griechischer Zeit wurde die Insel in einer Phase hoher Aktivität „Die Schmiede des Hephaistos“ genannt. Er war im griechischen Götterwesen der aufmüpfige Maso-chist, der für die anderen Götter Statussymbole und Schmuck schmieden musste. In späteren römischen Zeiten übernahm der energische Vulcanus das Kommando, wo er zur Zeit noch abwartet, den Tourismus zu vertreiben, wie damals den Engländer, der sich als Sklavenhalter bei dem Alaunabbau eine goldene Nase verdienen wollte. Die beiden Ränke-schmiede beraten sich zur Zeit über das weitere Vorgehen den Tourismus betreffend, das schon seit einiger Zeit überfällig ist.
Paare auf der freundlichen Schiene
Anstrengende Freundlichkeit
Die reiche Bürgerfamilie de Witte hat sich mit allerlei Prunk ausgestattet, den ich hier weggeschnitten habe. Die Stimmung ist betont freundlich, aber nicht herzlich. Mit wohlmeinendem Blick zu seiner Tochter, die edel gewandet eine Obstschale anbietet, hat sich der Patriarch halb erhoben, um sich eine Traube zu genehmigen. Die Tochter wirft einen fragenden Blick zurück: Mache ich auch alles richtig? Er erweist ihr immerhin die Ehre, sich halb zu erheben. Die Ehefrau fühlt sich erdrückt von den Konventionen, Arme und Hände sind schlaff. Sie schaut lieber den Maler an, um bei dem Erziehungstheater nicht mitmachen zu müssen. Das Edelmenschentum zeigt seine Schattenseiten.
Ein Eheflüchter
Auch bei der Familie des Entdeckers Abel Janszoon Tasman sucht man das Eheglück vergeblich. Mann und Frau halten Abstand, und leben in verschiedenen Welten. Abel ist eheflüchtig, zirkelt auf der Erdkugel schon seine nächste Expeditionsreise ab, und weist den Betrachter mit lockerer Geste aus-drücklich darauf hin. Seine Fußstellung ist vorwärtsschreitend: bald wird er wieder unterwegs sein. Die Ehefrau geht derweil in der Beziehung zu ihrer Tochter auf, der sie einen Apfel anbietet. Was sie in ihrer rechten Hand hält, bleibt rätselhaft, vielleicht ein Kissen. Auch unter den dunklen zylindrischen Gebilden vor ihr kann ich mir nichts vorstellen. Der Tochter wiederum hängt eine runde Stofftasche am Arm, von der ein Schlüsselbund herabhängt. Ist sie etwa ein Schlüsselkind mit Vorräten in der Tasche, weil die Mutter für das Auskommen sorgen muss? Beide wirken wie hingestellt. Ein höchst seltsames Bild von Entfremdung, das auf eine Reinigung wartet.
Das liebe Geld
Das Geldwechslerehepaar (Quentin Messys, 1514) ist einander zugeneigt, lebt aber auch in verschiedenen Welten. Der Wechsler ist mit knochigen Händen in die Münzprüfung vertieft. Seine Ehefrau wirft einen kurzen angeödeten Blick auf seine Tätigkeit, während sie eine Seite ihres Buches christlichen Inhalts umblättert. Sie fühlt sich verpflichtet, ihm devot Aufmerk-samkeit zu zeigen, weil er ihre Liebhaberei finanziert. Die Stimmung ist düster, und das Geld scheint beide nicht recht glücklich zu machen.
Gemeinsam ausgelöscht
Paquius Proculus und seine Gattin zeigen ihre Beschäftigung mittels ihrer Utensilien. Als Schreiber konnten sie sich die Villa in Pompeji leisten. Der Ehemann lässt seiner Frau den Vortritt. Mein Eindruck: Er übernimmt die Pflege der Kundschaft, sie setzt die Verträge auf und ist die Notarin. Beide geben sich seriös, wie es sich in dem verant-wortungsvollen Beruf gehört. Beide drängen sich dem Betrachter nicht auf. Sie wollen, dass man ihnen vertrauen kann.
Die Freundlichkeit hat Auszeit
Bei dem Ehepaar Obama hängt hier der Haussegen sichtlich schief. Meist bekommt man sie in Anwesenheit von Fotografen nur freundlich turtelnd zu sehen. Sie blickt starr hasserfüllt an die Wand. Er hegt sinnierend einen Groll, und drückt sein Missfallen provozierend durch die unschickliche Besetzung des Tisches aus. Von ihm kann man hier sagen, dass er auf großem Fuß lebt.
Unzertrennliche Zwillinge
Diese zweieiigen Zwillinge waren nicht einmal durch ihre Hochzeiten zu trennen, trafen sich jeden Tag, und starben auch hochbetagt am gleichen Tag bei Glatteis. Während eineiige Zwillinge ähnlich bis fast gleich empfinden, einander gut verstehen, und durch das gemeinsame Aufwachsen verbunden bleiben, aber keine passende Ergänzung darstellen, und spätestens bei der Partnersuche eigene Wege gehen, sind diese Zwillinge in ihren Temperamenten eine komplementäre Ergänzung, und sind deshalb als Paar anzusehen. Der Magnetismus des komplementären Empfindens ist stärker als eine gleiche genetische Ausstattung, die einen abstoßenden Effekt bei der Paarung hat.
Freundlichkeit bei Räuberbanden 1
Der Kupferstich zeigt den Anführer einer Wildererbande, Mathias Klostermayr, genannt der „bayrische Hiesel“, und seinen Liebling Andreas Mayer. Der Hiesel lebte ohne größeren Tadel, bis er zum Landsknecht gepresst werden sollte. Ihm gelang die Flucht, und er entwickelte sich zum Schrecken der Obrigkeit. Bauern deckten und unterstützten ihn, weil er das Jagdprivileg des Adels bekämpfte, dessen gehegtes Wild die Felder verwüstete. Zum Verhängnis wurde ihm, dass er mit seiner Bande ein zu großes Rad drehte und mit seiner Rachsucht ein großes Aufsehen in ganz Deutschland erregte. Sein „Bube“ Andreas wurde schon früh gefangen genommen, kam ins Zuchthaus, woraus er nach einigen Monaten entfliehen konnte. Er selbst wurde von einem Großaufgebot gefangen genommen, erdrosselt, gerädert und gevierteilt. Nach seinem Tod 1771, in einer Zeit der beginnenden Aufsässigkeit, wurde er bald zu einem Mythos der Freigeisterei verklärt, und Schiller soll er als Vorbild für den Karl Moor in „Die Räuber“ gedient haben.
Freundlichkeit bei Räuberbanden 2
Clyde hebt hier seinen „Schatz“ Bonny hoch, sie ist seine „Domina“. Das Foto könnte von ihrer Hochzeitsreise stammen, die nie stattgefunden hat. Es ist gar kein so seltenes Phänomen, dass die Anführer einer Hardcore-Räuberbande, wozu ich auch viele Staatswesen zähle, von freundlichem Temperament sind. Immerhin hatte die Bande sieben weitere Mitglieder, alles schwere Jungs, und da gibt es jede Menge Streit zu schlichten, damit die Bande sich nicht selbst zerlegt. Die Produktion von Leichen ist ein fundamentaler Wert einer Zivilisation, der von allen Temperamenten besetzt werden muss. Man will es bloß nicht wahrhaben, dass auch unter freundlicher Motivation geraubt und gemordet wird.
Man vergleiche dieses echte Paar mit dem Foto des Filmpaars, wo Hollywood unsere Vorstellungen bedient, wie die Anführer einer Räuberbande sich präsentieren sollten: Er als großer Macho mit grimmigem Blick auf dem Trittbrett sitzend, den Revolver als zweiten Penis zwischen den Beinen haltend, Sie als provozierende Schlampe in lässig verdrehter Haltung an das Auto gelehnt, mit Revolver vor dem Bauch und Einkaufstüte auf dem Trittbrett, aber sauberen Klamotten, ein Fall von Tempera-mentfälschung: den "Bösen" soll man ihre Bösartigkeit auch ansehen können.
Schade, dass ich das Bild nicht hier zeigen kann. Es ist aber im Internet mit 2 Clicks unter Bonny and Clyde / Bilder zu finden.
Der Honigmond
Bei dem Gemälde von Emil Doerstling herrscht die Glückseligkeit zwischen zwei Menschen unter-schiedlicher Hautfarbe. Ein Musterbeispiel von gelungener Integration. (Der Hass kommt erst im zweiten Aufzug.) Der freigelassene Sohn Gustav Sabac el Cher, dessen Vater sich als Leibeigener am Königshof Preußens als Kammerdiener hochgedient hatte, wurde als einziger Farbiger 1890 Unteroffizier in einem preußischen Musikcorps. Damals wurde das Gemälde wohl als Provokation empfunden, heute eher als eine Szene aus Hollywood.
Mit seiner Weisheit am Ende
Die Dreiecksbeziehung von Sokrates, Xantippe und Alkibiades hat bis heute viele Gemüter bewegt. Auf dem linken Bild ist nicht ganz klar, wer hier wen verführt. Auf dem rechten sieht man Xantippe den Nachttopf über Sokrates ausgießen, der den „Natursekt“ zu genießen scheint. Dass Sokrates die Gesellschaft schöner reicher Jünglinge der Aristokratie suchte, und in seinen Seminaren, in denen er sie in den Fächern Philosophie, Staatskunde, Logik und Rhetorik unterrichtete, auch fand, mag einsichtig sein. Seine eminente Weisheit bestätigte ihm das Orakel von Delphi. Aber wozu brauchte er dann auch noch seine Xantippe, die er stets gegen mokante Anwürfe verteidigte?
Die zeitgenössische Statuette zeigt recht deutlich seine Depressionen im Alter. Sein geliebter Alkibiades erwies sich politisch als zynischer Abenteurer, der mit den Feinden Attikas paktierte. Dessen Freunde suchten sich aus seinen Lehren aus, was ihnen zum Vorteil zu gereichen schien. In dem Bürgerkrieg nach der Niederlage Athens verübten sie Schändlichkeiten, und kamen dabei meist zu Tode. Xantippe schalt immer seine kindliche Naivität, die auch in der ausgefeilten Fragetechnik seiner Diskurse zutage trat, welche eine Fixierung des kindlichen Fragealters darstellt. Sie hatte ihn immer instinktiv vor Alkibiades gewarnt, was Sokrates für Eifersucht hielt. Ihre herbe Männlichkeit ist nicht bildlich überliefert, ihr Gezeter aber abschätzig schriftlich. Die Verurteilung zu Tode durch eine Willkürjustiz nahm Sokrates hin, obwohl man ihm Brücken baute. Es ist nicht abwegig, von einem getarnten Selbstmord zu sprechen. Sokrates zweifelte an allem, auch an sich selbst.
Xantippe war sich ihrer Einschätzungen sicher, deshalb brauchte er sie. Sie war es aber nicht wert, ins Bild gesetzt zu werden.
Der Holzbock
Ein Trachtenpaar in Bayern anlässlich des Oktoberfests 1895. Der Ehemann hat auf einem unbequemen Holzbock Platz genom-men. Er zeigt sich als quirreliger Dynamiker, der jederzeit auf dem Sprung ist. Seine Haltung ist ein Provisorium. Seine Ehefrau zeigt das, was er nicht hat: Bodenständigkeit, Aufrichtig-keit und Verschlossenheit, aber auch Beharr-lichkeit bis zum Starrsinn. Sie ist der ruhende Pol. Es zeigt sich hier mustergültig, wie sich die beiden Temperamente ergänzen.
Ein Traumpaar der Regenbogenpresse
Dass dieses Paar in Richtung Albtraum tendiert, wird schon auf diesem Bild sichtbar, welches keine Fröhlichkeit aufkommen lässt. Elisabeth, genannt „Sissi“, wurde im Alter von 16 Jahren standesgemäß mit Kaiser Franz-Joseph verheiratet. Als Kind, von ihren Eltern, einer Nebenlinie der Wittelsbacher, liberal erzogen, spielte sie lieber mit Bauernkindern; nun sollte sie sich den Zwängen der Hofetikette beugen, welche sich körperlich in der extremen Verschnürung wiederfinden. Sissi konnte als kindlicher Wildfang diesem Druck nicht lange standhalten, fühlte sich eingekerkert, und war ständig auf der Flucht in ganz Europa. Auch geistig bekannte sie sich zu den Idealen von 1848. Nachdem sie einen Thronfolger zur Welt gebracht hatte, wurde sie zunehmend magersüchtig, krank und autistisch. Ihr Ehemann, der ihr keinen Wunsch abschlagen konnte, musste derweil mit Maitressen Vorlieb nehmen.
Ein Paar außerhalb der Paarungsschienen
Wagenknecht und Lafontaine
Als in Dillingen/Saar Aufgewachsener habe ich den Werdegang von Lafontaine aufmerksam verfolgt. Seine hoch intelligente jesuitische Erziehung ist unverkennbar und seine geschmeidige sich aufplusternde Rhetorik und Gestik lässt mich ihn als „freundliche Stärke“ einschätzen. Wagenknecht hat eine starke Domina-Ausstrahlung, die mich an Terence Sellers* erinnert. W.s Vorliebe für die Farbkombination schwarz-rot bei ihren Auftritten deutet eher auf eine Sado-maso Beziehung hin, welche aber in dieser Kombination nicht realisierbar ist und ganz sicher nicht stattfindet. Dass aber meine Vermutungen nicht aus der Luft gegriffen sind, zeigen einige Domina-Fotos von ihr, die im Internet herumgeistern, die ich aber wegen handwerklicher Mängel (Licht und Schattenwurf) für Machwerke halte. Derlei Tätigkeit wäre für sie eine unerträgliche Unterwerfung. Sie lebt ihre Ambitionen streng, unberührbar, gradlinig, wahrhaftig in der Politik aus. Der "Glaubensdutt", den sie aus ihrer Haarpracht windet, steht für kontrolliertes Verhalten. Ihre Beziehung ist eine intellektuelle Herausforderung, aber sexuell Pumpernickel aus der Dose. Es ist keine Beziehung zum sich ausleben, wohl eher ein Lehrer-Schülerin-Verhältnis, wobei es auch um die Weitergabe des politischen Staffelstabes geht. Die Disziplin, die man in einer solchen Beziehung einhalten muss, halte ich für beide bewunderungswürdig. Allerdings hocken beide nicht ständig zuhause aufeinander drauf, sondern gehen ihre eigenen Wege. Das mag verhindern, dass man sich zu sehr auf die Nerven geht. Beide haben auch schon wenig beglückende Erfahrungen mit Liebesbeziehungen gemacht, sodass mal eine Vernunftehe mit starken gemeinsamen politischen Interessen angesagt ist. Politik ist ja auch ein Sucht- und Potenzmittel. Beide zeigen sich in theatralischer Rednerpose, sie eindringlich werbend, er beidarmig alle Register oberlehrerhaft ziehend.
Solche Beziehungen taugen nicht für den Alltag, sind aber keine Seltenheit als Kombination des "Stärke"-Typs, bei denen es darum geht, sich nicht voll in der gewohnten Rolle auszuleben und dabei auf die Nerven zu gehen.
Ich habe eine solche Beziehung mit vertauschtem Geschlecht eine längere Zeit beobachten können, wobei das Bestreben Abstand zu halten deutlich zu bemerken war.
* Terence Sellers arbeitete 6 Jahre lang als bestbezahlte professionelle Sadistin in New York. Ihre Kundschaft stammte aus den höchsten Kreisen der Gesellschaft. In ihrem Buch „Der korrekte Sadismus“ schildert sie einfühlend die Bedürfnisse ihrer Kundschaft. Sie gab diesen Beruf in einer Krise auf, als Kunden von ihr ans Kreuz genagelt werden wollten.
Zwei weitere Paare außerhalb der Paarungsschienen erwähne ich in den Viererbanden bei ABBA
Schlussbemerkungen
Bei meiner Auswahl der Paare stellt sich hier schon die Frage, wo da der Unterschied zwischen freundlich und feindlich zu finden sein soll. Es gibt jede Menge Bilder, bei denen die freundlichen als freundlich und die feindlichen als feindlich dargestellt sind. Das wäre mir zu platt, und würde den Geruch der Propaganda entwickeln. Von dem Paar Obama gibt es hunderte Fotos, in denen sie ihre Flitterwochen darstellen. Und ich finde genügend feindliche Paare, die sich ernsthaft für freundliches Verhalten einsetzen, siehe die Lennon/Ono-Schau. Man kann unter freundlichem Aspekt Kriege führen, und unter feindlichem den Frieden wahren wollen. Krieg wie Frieden kann man sowohl hassen wie auch verehren. Alle Temperamente taugen gleichermaßen für Krieg und Frieden, haben dabei aber andere Motive. Wenn man die Taten und ihre Ergebnisse betrachtet, findet man nur graduelle Unterschiede. Bei der Strategie werden die Unterschiede schon deutlicher, bei der Taktik noch mehr. Die größten Unterschiede gibt es in der Motivation und den Anlässen, bei denen diese zutage treten. Erst im interaktiven privaten Nahbereich treten die Unterschiede klar hervor.
Der Wirrwarr ist der komplexen Sozialstruktur zuzuschreiben, welche die Vielfalt der Schwindeltechniken hervorbringt, die Lüge und Wahrheit ineinanderfließen lassen, damit aber auch unseren Erfindungsreichtum begünstigt.
Täuschungsstrategien gegenüber fremden Arten gibt es bei so gut wie allen Lebewesen, aber der Mensch hat sich zum Ziel gesetzt, sie alle zu entdecken, auszuüben, und sie auch gegen seine Mitmenschen anzuwenden.
Die Paare im Alltag
Ich sehe die engen Paarbeziehungen im Alltag als eine Art Tauziehen auf der Paarungsschiene mit einem Gummiseil. Erfreulich bleibt das Verhältnis, wenn die Amplitude des Hin und Her um den Nullpunkt gering bis mäßig bleibt. Vor allem, wenn es sich in ritualisierter Form abspielt, ist die Beständigkeit groß. Wird die Amplitude zu groß, droht die Beziehung zu scheitern: Ein Partner ist besiegt, und endet beständig am Nullpunkt, oder das Gummiseil wird überdehnt und reißt, beide Partner haut es um.