Unerhörtes

 

 

Die Wirkung von Dauners Musikalischem Theater hatte sich verbraucht. Mein Bedürfnis nach Jazz ebenso. Jetzt ging es darum, mir neue musikalische Ausdrucksmöglichkeiten zu erschließen. Es kam die Zeit der Wanderjahre und Experimente. Als Medium stand mir zunächst ein UHER-Report und ein kleines Mischpult mit Batteriebetrieb zur Verfügung. Das konnte ich überall hin mitnehmen.

 

 

                  Formlos

Am 26. Juli 1969 fuhr ich mit meinem Kontrabass zu einem musikalischen Treffen nach dem ehemaligen Forsthaus in Ebni im Welzheimer Wald, wohin mein Freund Wolfgang Kiwus, der sich dort zeitweise verkrochen hatte, mich eingeladen hatte. Dort traf ich auf seine befreundeten Amateurmusiker (damals war man der Ansicht, dass jeder Musik machen könne) zu einem ungezwungenen musikalischen Austausch. Die weiteren Teilnehmer kann ich nicht mehr benennen. Kiwus spielte Cello, die anderen griffen sich, was Töne hervorbringen konnte, wie Gitarre, Okarina, Melodika, natürlich auch die Stimme. Es sollte kein Produkt werden, sondern ein unvorhersehbares musikalisches Erlebnis. Was sich daraus ergab, kann ich nicht beschreiben, man kann es sich nur anhören.

Die Aufnahme mit dem Uher-Report habe ich im November 91 etwas überarbeitet und gekürzt.

                                                                                                                                                                                            11´44´´

 

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 Wiener Wut

Am 15. August 1969 war ich zusammen mit Christoph Klein, einem Studienfreund von der Musikhochschule Saarbrücken, auf Urlaubs-, Musik- und Erlebnisreise in Wien. Ein paar Musikinstrumente hatten wir für alle Fälle dabei. Zusammen mit Gerd Sturany, einem Wiener Free-Jazz-Trompeter mit Emanzipationsbestrebungen, den ich beim Ossiacher Musikfestival kennen-gelernt hatte, trafen wir uns bei dem Komponisten Anestis Logothetis. Dieser suchte damals Musikergruppen, die seine grafischen Partituren als Spielvorlagen für ihre improvisatorischen Ergüsse gebrauchen konnten, wir hingegen suchten nach einem Treffpunkt, wo wir unsere musikalische Experimentierwut ausleben konnten.

Wir hatten alle einen recht unterschiedlichen musikalischen Hintergrund und Vorstellungen, die sich nur teilweise überlappten. So war dieses Treffen keine allzu große Wonne, viel eher der Ausdruck einer Aggressivität, die Sinn, Ziel und Form suchte, aber nicht finden konnte. Sturany versuchte seine Trompeter-Neurosen mit Hilfe eines Gummischlauchs aufzuweichen, den er zwischen Mundstück und Trompete steckte,  was an die Wutschreie eines Elefanten erinnerte, ließ dabei auch manchmal die Trompete weg, während Christoph und ich unseren Frust unter Zuhilfenahme eines Kontaktmikrofons und anderer Gerätschaften an einem Konzertflügel ausließen, wobei lediglich die Tasten ausgespart blieben. Wir verschafften uns aber auch mit unserer Stimme Gehör, wenn der Affektstau zu groß wurde. Logothetis verkroch sich bei dieser musikalischen Schlammschlacht quasi als Etappenschwein hinter die Regler eines Mischpults, und ward nicht mehr gehört.

Das entstandene Band wirkt über weite Strecken unausgegoren in seiner aggressiven Penetranz, die ein ideenreiches oder gar humorvolles Ausweichen nicht zuließ. Dieses Event ist nur als Report eines Zerstörungsdrangs, der nicht zu neuen Ufern führen konnte, von Interesse. Die Aufnahme habe ich stark gekürzt, um die Penetranz nicht allzu deutlich werden zu lassen.

Mein Erkenntnisgewinn von dieser Reise: Nirgendwo hasst man so wundervoll wie in Wien, der Stadt der höfischen Manieren.

Küss die Hand, auf nie wiederhören!                                                                                                                         3´36´´

 

Wiener Wut.mp3
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         Diabelli belli diabolus

Diabelli ist der Nachtmahr der Klavieradepten. Seine lustfeindliche Etudenproduktion übertrug den Drill des Kasernenhofs auf das Tastenfeld und steigerte damit den pianistischen Output. Mit seinem pädagogischen und kompositorischen Schaffen gilt er als Wegbereiter des Klaviersadismus, jener allen Klavierschülern wohlbekannten Leistungsfron unter der Aufsicht stockbewehrter Sklaventreiber und strengster Gouvernanten auf einem Exerzierplatz, der vor ihm eher als Spielwiese vergnüglicher Unterhaltung gehobener Stände mit viel Freizeit diente.

Wie konnte es bloß geschehen, dass 1969, mitten in jenen freiheitsberauschten Tagen, mich der Diabelli-Satan ritt, als ich auf einem von mir selbst aus Küchenbrett und Scheibenwischerteilen mit Hammer und Nagel gefertigten Afrikanischen Klavier neue Möglichkeiten der Klangerzeugung erkundete? Wie kam es zu diesem Rückfall in die längst für überwunden geglaubten Welt der musikalischen Drangsal? Brauchte ich etwa die genormten Tonfiguren, um die Normen zu sprengen? Brauchte ich das Zwanghafte, um mich zerstörerisch daran aufzugeilen? Lässt hier wohl gar Ödipus grüßen?

Einzig die Lächerlichkeit kann mich da noch retten! Die Töne stehen zwar in Reih und Glied, aber die Schüsse gehen nach hinten los. Die Normen werden erfüllt, aber nicht ihr Sinn. Die erstarrten Figuren wirken wie klassisches Ballett auf einem frisch gepflügten Acker.

Die Rohfassung des Stückes entstand am 28. September 69 auf einem Uher-Report, dem ersten und damals einzigen Tonbandgerät, welches ich besaß. Ich bespielte die beiden Tonspuren nach und nach separat nach der Reißverschluss-Methode in den vier Geschwindigkeiten, die das Gerät bot: die primitivste Form der Mehrspurtechnik.

Diese Altaufnahme hat technische Mängel. Ich habe sie 1991 überarbeitet und um etwa ein Viertel gekürzt, an einigen Stellen mit Pausen versehen und klanglich poliert.

                                                                                                                                                                                           3´55´´

Diabelli belli diabolus.mp3
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Pick up

In der Zeit des musikalischen Umbruchs, als es mir darum ging, neue Klänge musikalisch zu erschließen, faszinierte mich die musique concrète von Pierre Henry. Aus einer spielerischen Laune heraus produzierte ich im November 70 mit extrem bescheidenem technischen Aufwand ohne jegliche Studioausrüstung dieses kleine Stück, lediglich mit einem Plattenspieler und einem Uher-Report. Mit dem Tonarm kratzte ich auf einer Schallplatte und einem kleinen Saiteninstrument (genauer weiß ich es nicht mehr), und nutzte dabei die vier Geschwindigkeiten des Uher-Report. Zu einer Tonbandschnipselei wie bei Henri fehlte mir die Möglichkeit, und für einen solchen Aufwand hätte mir damals auch die Geduld gefehlt. Es sollte nicht mehr als ein Spiel sein. Die Tonbandschnitte ersetzte ich durch „fliegenden Wechsel“ von Aufnahme und Wiedergabe. Dabei benutzte ich den Tonarm als Klangerzeuger, was bald in Discotheken in Mode kommen sollte.

Auch in Teilen der Musikscene galt der Spruch: Macht kaputt, was euch kaputt macht. Das war, ist und bleibt der 4/4-Takt, das Marschieren im Gleichschritt. Umso schlimmer, dass der dionysische 3/4-Takt ausgestorben ist.

                                                                                                                                                                                             6´11´´

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Hexenritt

Diese Aufnahme, welche ich vor kurzem wiederentdeckte, stammt aus den Anfangszeiten des Elektronischen Studios, damals noch zusammen mit meinem Freund Andreas Fischinger realisiert. Jeder hatte als Klangproduzenten einen VCS3-Synthesizer, Kontaktmikrofon und diverse selbst gebastelte handliche Klangerzeuger. Wir steigerten uns in einen Klangrausch, der sich an dem flippigen Hin-und-her in dem vierkanaligen Raumklang ergötzte. Komposition galt als Freiheitsberaubung. Es gab nur das Jetzt und Hier. Nur selten ging daraus etwas hervor, was ich nachträglich als hörenswert wie diese Stereoaufnahme betrachte.

                                                                                                                                                                                              6´17´´

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Exerzieren

Das Klangmaterial dieses Stückes besteht aus einer einzigen Vokalise von etwa einer Sekunde Dauer, in den Digitalspeicher eines Echogeräts in Endloswiederholung eingespeist, und von Synthesizergeneratoren in Tonhöhe damit auch Geschwindigkeit gesteuert. Hinzu kommen rückgekoppelte Echoschleifen mit Tonbandgeräten, welche das dürftige Material zur Massentonhaltung aufbläht. Die materielle Ökonomie war einerseits durch die damaligen technischen Möglichkeiten bedingt, welche mir zur Verfügung standen. Es war aber andererseits für mich von besonderem Reiz, diese Beschränktheit durchzuexerzieren.

                                                                                                                                                                                               5´01´´

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Kristalle (1983)

 

Hierbei handelt es sich um eine Auswahl von Miniaturen, die ich alle mit dem gleichen Grundprogramm eines PPG – Musik-computers (des Künstlerhauses Stuttgart) realisierte. Da sich die Steuerungsprogramme als für meine Zwecke ungeeignet erwiesen, nutzte ich ein Keyboard-Programm, bei dem jeder Taste in bestimmter Reihenfolge acht Tonhöhen zugeordnet werden. Durch Zahlenfolgen in der Form einfacher Fingersätze und durch Beschränkung auf 5 (maximal 7) Tasten war ich trotz meiner bescheidenen pianistischen Fähigkeiten in der Lage, eine Vielfalt unterschiedlicher Strukturen mit immer den gleichen Tasten zu erzeugen. Das Klangmaterial sind Töne, die nur aus dem Grundton und der zehnten Oberwelle bestehen.

 

Durch die Reduktion auf 2 Kanäle geht die Räumlichkeit der original quadrofonischen Version weitgehend verloren, welche als Hintergrundmusik einer Bilderausstellung konzipiert war. (Bearbeitung 2019)

                                                                                                                                                                                              11´53´´

 

Kristalle.mp3
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